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Die Steuerscheidung

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Reform: eine Sache, die hauptsächlich Reformer befriedigt, die gegen eine Besserung sind.

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Reform: eine Sache, die hauptsächlich Reformer befriedigt, die gegen eine Besserung sind.

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HANNES SCHOPF

Das Ziel war unzweideutig und ist in der Regierungserklärung 1979 festgeschrieben: Eine Reform sollte das Steuersystem gerechter, einfacher und für den einzelnen durchschaubar machen.

Diesem Anspruch wird die von Fi-; nanzminister Herbert Salcher ins Auge gefaßte Zwei-Etappen-Änderung 1982/83 überhaupt nicht gerecht.

Ebensowenig handelt es sich um eine Steuersenkung im eigentlichen Sinn: Ohne Steueränderung würden die Lohnsteuereinnahmen 1982 gegenüber heuer um rund 14 Milliarden Schilling anwachsen, nach Salchers Plänen werden immerhin acht Milliarden Schilling oder etwa elf Prozent mehr als heuer in seinen Lohnsteuertopf fließen.

Zum Vergleich: Bei der Steuerkorrektur des Jahres 1975 ist das Lohnsteueraufkommen im ersten Jahr um 2,6 Prozent gesunken.

Ja selbst die Bezeichnung Steueranpassung ist unzutreffend und irreführend: Denn während das Lohnsteüer- aufkommen in den Jahren 1975 bis 1981 um schlichte 162,5 Prozent hinaufgeschnellt ist, sind die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten um rund 45 Prozent gestiegen.

Würde also der Steuertarif tatsächlich an die Inflationsentwicklung angepaßt werden, müßte das in einer einschneidenden Progressionsmilderung seinen Niederschlag finden.

So aber hat sich Finanzminister Salcher den Steuerpelz gewaschen, ohne dabei naß geworden zu sein: In den Steuerverhandlungen mit dem österreichischen Gewerkschaftsbund am 22. Juni behauptet er sich als klarer Sieger.

Den ÖGB-Traum, dem Finanzminister am 1. Jänner 1982 die geforderten zwölf Milliarden Schilling herauszureißen, hatte Salcher schon in der Aufwärmrunde zerstört. Sein Angebot:

etwa acht Milliarden Schilling in zwei Etappen.

Die letzte ÖGB-Forderung stand dann bei zehn Milliarden Schilling. Und erstmals in der neueren Steuerverhandlungsgeschichte kamen die Gewerkschafter auch mit ihrem reduzierten Wunsch beim Finanzminister nicht durch.

Salcher erklärte, keinesfalls mehr als neun Milliarden Schilling, aufgeteilt auf die Jahre 1982 und 1983, akzeptieren zu können. Eine Milliarde mehr wären im Budget absolut nicht zu verkraften, weil sonst das Bruttodefizit nicht finanzierbar wäre.

Daher die Notlösung, mit der weder Finanzminister noch Gewerkschafter wirklich zufrieden sind:

• In einer ersten Etappe zum 1. Jänner 1982 kommt es beim Steuertarif zu einer Progressionsmilderung, die nach Salchers Berechnungen 4,5 Milliarden Schilling bringt. Außerdem wird neu ein Alleinerhalterabsetzbetrag (siehe

Stichwort Seite 2), gleichwertig dem bestehenden Alleinverdienerabsetzbe- trag, eingeführt, der rund 120.000 Steuerzahler begünstigt. Und der Ar- beitnehmerabsetzbetrag (also nur für unselbständig Erwerbstätige) wird von 3000 auf 3500 Schilling erhöht. Kosten laut Salcher: sechs Milliarden Schilling.

• Die zweite Etappe zum 1. Jänner 1983 beschränkt sich ausschließlich auf die Erhöhung der Absetzbeträge: Der Allgemeine Absetzbetrag wird von 4800 auf 5100 Schilling erhöht, der für Arbeitnehmer um weitere 500 Schilling auf 4000, die Absetzbeträge für Alleinverdiener und Alleinerhalter werden von 3200 auf 3900 Schilling erhöht und jener für Pensionisten wird um 400 auf 2400 angehoben. Kosten laut Salcher: drei Milliarden Schilling.

Um restlose Klarheit zu schaffen, verschickte das Finanzministerium am 24. Juni flugs Tabellen, in denen fein säuberlich ausgewiesen wurde, was die

Steueränderung dem einzelnen an Steuerersparnis bringt. Bis zu einem Monatseinkommenvon30.000Schilling stiege danach die Ersparnis abnehmend, darüber käme es zu einer Mehrbelastung.

Der arge Schönheitsfehler des Sal- cher-Papiers: Es entspricht - und das hat der Finanzminister bisher der Öffentlichkeit vorenthalten - nicht dem Verhandlungsergebnis vom 22. Juni.

Dort wurde nämlich vereinbart, daß dip Steuerkurve im oberen Einkommensbereich auf die a|te Kurve eingeschliffen wird, das heißt, daß nach der Steueränderung niemand mehr Steuer zahlt als vorher.

Erich Schmidt, volkswirtschaftlicher Referent des ÖGB, bestätigte im Gespräch mit der FURCHE auch diese Vereinbarung als „ganz klares gemeinsames Ergebnis“ und prophezeit, allen Salcher-Aussendungen zum Trotz: „So wird es auch sein.“

Aber auch andere Salcher-Angaben sind mit Fragezeichen versehen: „Die neun Milliarden glaub’ ich schlicht und einfach nicht. Nach meinen persönlichen Berechnungen ist höchstens die Hälfte drinnen“, meldet Wirtschaftstreuhänder Josef Böck Zweifel an und fordert die Offenlegung der ministeriellen Unterlagen.

Der einzige Punkt, der bisher unumstritten begrüßt wurde, ist der neue Alleinerhalterabsetzbetrag für Ledige, Verwitwete oder Geschiedene mit mindestens einem Kind. Doch gerade diese Neuerung birgt gesellschaftspolitischen Sprengstoff und zeigt, wie nahe wünschenswerte Hilfe und Versuchung zum Mißbrauch nebeneinander liegen.

Die Versuchung für (be-)rechnende Typen heißt: die Steuerscheidung.

Konkret: Ein doppelverdienendes Ehepaar mit Kindern könnte künftig durch eine einvernehmliche Scheidung gleich doppelten Steuernutzen ziehen. Ein Teil kann den Alleinerhalterabsetzbetrag in Anspruch nehmen, der andere kann noch dazu die Unterhaltskosten von der Steuer absetzen.

Eine gleichwertige Steuerbegünstigung für die intakte Familie gibt es nicht. Sie ist auch nicht vorgesehen.

Der Androsch-Nachfolger soll „ein eminent politischer Kopf (Bruno Kreislcy) sein. Damit weiß Herbert Salcher auch, was das gesellschaftspolitisch bedeutet.

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