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Die Stunde der Kirchen

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Die Politiker versagen schmählich vor dem kriminellen Wahnsinn, der zunehmend den Balkan überzieht. Worauf hoffen? Ein Wort des griechisch-orthodoxen Metropoliten von Wien, Erzbischof Staikos, ließ dieser Tage aufhorchen: „Dies ist die Stunde der Kirchen," sagte er, denen die Pflicht zukomme, sich den Mördern in den südslawischen Ländern in den Weg zu stellen.

Der serbisch-orthodoxe Patriarch Pavle von Belgrad hat es schon versucht, ebenso der Kardinal von Agram, Erzbischof Kuharic. Aber in dem Informationsgewitter rund um den Balkankrieg sind diese Gesten untergegangen. Konkrete Taten blieben aus. Was sollte, was kann geschehen, um die Barbaren zu stoppen?

Die christlichen und muslimischen Religionsführer Südslawiens müßten gemeinsam und lautstark, ohne Vorbedingungen und mit einer Zunge zum Frieden mahnen. Ein gemeinsames Bekenntnis eigener Schuld müßte am Anfang eines solchen Unterfangens stehen, so wie sich die Christen Österreichs ein demütiges Schuldbekenntnis im Hinblick auf den Bürgerkrieg 1934 abgerungen haben.

In Wirklichkeit wird immer neue Schuld angehäuft. Gewiß ist die serbische Seite als Aggressor zweifelsfrei entlarvt. Aber auch die anderen Kriegsparteien sind nicht zimperlich, sobald die Granaten von den Diplomaten das Kommando übernehmen. Kroatische Fanatiker scheuen sich nicht, um taktischer Vorteile willen zeitweise mit den Serben gegen muslimische Mitbürger zu packeln. Wer sonst als Kirchenführer müßten klarmachen, daß ein Ausbrechen aus dem Teufelskreis „offener Rechnungen" der Geschichte Pflicht religiöser Menschen ist?

Aber auch in den vom Krieg nicht unmittelbar betroffenen Ländern müßten die Bischöfe gemeinsam und unüberhörbar die Politiker auf den rechten Weg zwingen. Ein Helmut Schüller und ein Alois Mock - Respekt vor ihrer Einsicht, ihrem Mut! - sind zuwenig, um das Gewissen von Kirche und Politik genügend zur Geltung zu bringen. Wenn alle Spitzenvertreter aller Kirchen, wenn Regierung und Opposition zusammen mit Parlament und Sozialpartnern an einem Strick zögen, wäre auch den Österreichern noch eine zusätzliche Kraftanstrengung im Dienst der Menschlichkeit abzuringen. So aber ist der Streit zwischen einem geschockten Caritaspräsidenten und einem überforderten Innenminister noch besser als scheinbare Kumpanei zwischen einer satten Amtskirche und einer allzu „realpo-litisch" taktierenden Regierungsriege.

Die Bischöfe der USA aber, längst bekannt für ihren Mut vor Fürstenthronen sollten ihrem Präsidenten wieder einmal klarmachen, daß es ein Skandal sondergleichen wäre, um eines vermeintlichen Wahlvorteils willen neuerlich einen militärischen Schlag gegen Saddam Hussein anzuzetteln, aber weiterhin tatenlos zuzusehen, wie im ehemaligen Jugoslawien Menschen um Hab und Gut, Heim und Heimat, Leib und Leben gebracht werden.

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