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Die Stunde der Laien

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In Krisenzeiten der Kirche sind auch die Laien besonders gefordert. Es wissen nur viele von ihnen noch nicht. Das Motto der Pfarrgemeinderatswahlen wäre die passende Herausforderung: „Auf Sein Wort hin".

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In Krisenzeiten der Kirche sind auch die Laien besonders gefordert. Es wissen nur viele von ihnen noch nicht. Das Motto der Pfarrgemeinderatswahlen wäre die passende Herausforderung: „Auf Sein Wort hin".

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„Auf Sein Wort hin" haben einst die eine ganze Nacht beim Fischfang erfolglosen Apostel noch einmal die Netze ausgeworfen und dann zu ungewöhnlicher Stunde reiche Beute gemacht. „Auf Sein Wort hin" sollten sich heute trotz aller Müdigkeit und Mutlosigkeit katholische Männerund Frauen aufraffen, ihr aktives und passives Wahlrecht bei den Pfarrgemeinderatswahlen am 22. März auszuüben. Dazu fordern Österreichs Bischöfe in diversen Hirtenbriefen, aber auch Organisationen wie die Katholische Aktion (KA) auf.

Es geht um etwa 30.000 Mandate, über deren Vergabe von 4,5 Millionen Wahlberechtigten entschieden wird. Unübersehbar ist im Vorfeld dieser Wahlen, daß jene, welche die hierarchische Struktur der Kirche betonen, mit denen, die demokratische Formen ausgebaut sehen wollen, in Konflikt geraten, wie der in der FURCHE ausgetragene Disput zwischen dem Pastoraltheologen Paul Zulehner (48/1991) und Weihbischof Christoph Schönborn (50/1991) über die Neufassung der Wiener Pfarrge-meinderatsordnung zeigte. Denn in Wien wurde nun - wie zuvor schon ähnlich in Eisenstadt und St. Pölten - mit Hinweis auf das Kirchenrecht von 1983 betont, daß der Pfarrgemeinderat (PGR) in pastoralen Fragen nur „beratendes Stimmrecht" besitzt.

Dabei ist in den meisten österreichischen Diözesen nach wie vor die für die Diözese Graz-Seckau folgendermaßen formulierte Aufgabenstellung für den Pfarrgemeinderat (PGR) typisch: „Der Pfarrgemeinderat ist jenes Gremium der Pfarre, das den Pfarrer bei der Leitung der Pfarre mitverantwortlich unterstützt und -im Rahmen derdiözesanen Gesetzgebung - die Fragen des pfarrlichen Lebens berät, zusammen mit dem Pfarrer entscheidet und für die Durchführung der Beschlüsse sorgt." Die meisten Diözesen Österreichs halten es, um dem Codex zu entsprechen, für ausreichend, in der PGR-Ordnung darauf hinzuweisen, daß der Pfarrer gegen PGR-Beschlüsse ein Veto einlegen kann. Auch für den Konfliktfall ist in der Regel vorgesorgt.

In Wien wurde hingegen das früher vorgesehene Schiedsgericht ersatzlos gestrichen. Erzbischof Hans Hermann Kardinal Groer meinte dazu erläuternd (seine Handreichung zur PGR-Ordnung und sein Hirtenbrief zur Wahl sprechen eine ganz andere Sprache als die neue Wiener PGR-Örd-nung), es sei ohnehin „selbstverständlich", daß Streitfälle dem Ordinarius (zuständiger Bischofsvikar, Generalvikar, Erzbischof) vorgelegt werden können. Eine noch größere Selbstverständlichkeit - nämlich, daß die PGR-Ordnung im Einklang mit dem Codex stehen muß (was ja hoffentlich auch die Ordnungen der anderen Diözesen tun) - wird freilich ständig als Grund der Wiener PGR-Novelle (für die der vom Pastoralrat einhellig beschlossene Entwurf ganz anders aussah als die hinter verschlossenen Türen konzipierte Letztfassung) hervorgehoben.

In Wien ist auch - in der PGR-Ordnung, nicht im Hirtenwort Kardinal Groers - die Rolle des Stellvertretenden Vorsitzenden viel enger gefaßt, als dies in anderen Diözesen der Fall ist. In Graz oder im Bereich des Militärordinariates ist sogar ausdrücklich vorgesehen, daß ein aus dem Kreis der Laien gewählter „geschäftsführender Obmann" die Sitzungen leitet.

Unter den in der Einleitung zur neuen Wiener PGR-Ordnung angeführten Texten fehlt leider das wichtigste Dokument aus jüngster Zeit, das im Anschluß an die Weltbischofssynode 1987 verfaßte apostolische Schreiben „Christifidelis laici" (CL), wo es wörtlich heißt: „Der Hinweis des Konzils auf die Überprüfung und Lösung der pastoralen Probleme ,in gemeinsamer Beratung' muß einen adäquaten und artikulierten Niederschlag finden in einer entschiedenen, überzeugten und breit angelegten Aufwertung der Pfarrpastoralräte, auf die die Synodenväter berechtigterweise insistiert haben." (CL 27)

Der Geistliche Assistent der KA Österreichs, Heinrich Schnuderl, hebt auch hervor, daß dieses Papier wünscht, daß „das Prinzip der Mitwirkung - die in einzelnen Fällen auch Mitentscheidung ist - auf breiterer Basis und intensiver zur Anwendung kommen" (CL

25) möge. Und: „Den Bischofskonferenzen kommt es zu, die geeigneten Mittel und Wege zu finden, um auf National- oder Regionalebene die Konsultation und die Mitarbeit der Laien, Männer und Frauen, weiterzuentwickeln." (CL 25)

Daß die Wiener Novelle eine dem Synodenpapier entsprechende „Aufwertung" des PGR bedeutet, behauptet ehrlicherweise kaum jemand, wohl aber, daß sich in der Praxis ohnehin kaum etwas ändern wird. „Wo es funktioniert, ist die schlechteste Ordnung gut genug, wo es nicht funktioniert, nützt die beste Ordnung nichts", so relativiert auch Walter Weissenstein, im Vikariat Wien-Stadt Leiter des Ausschusses für Pfarrgemeinderäte, die Bedeutung der Statuten für das praktische Pfarrleben, „aber die Optik ist schlecht". Denn natürlich wirkt es anders, wenn ein „Beschluß" am Veto des Pfarrers scheitert als wenn ein „Rat" nicht angenommen wird.

Hierarchie und Demokratie seien keineswegs unvereinbar, meinte KA-Präsidentin Eva Petrik bei einer Pressekonferenz in Wien, und Jugendfunktionär Martin Kargl betonte, daß auch die Dogmen aufgrund von Abstimmungen auf Konzilen formuliert wurden. Zwar wünscht sich Ingrid Klein von der Katholischen Frauenbewegung noch mehr Frauen in leitenden Funktionen, aber anderseits wertet man einen durchschnittlichen Frauenanteil von 40 Prozent im PGR (und von genau 50 Prozent im KA-Präsidium) als sehr beachtlich im Vergleich zu politischen Gremien. Eva Petrik appelliert dafür, die Wahl als Chance zu sehen, und wendet sich besonders an die „Unzufriedenen": „Verändern kann ich nur von innen. Von außen kann ich nur jammern."

Am 22. März werden in Österreichs Kirche vielleicht wichtigere Weichen gestellt, als das manche heute ahnen. Die Zukunft der Kirche wird ohne ein Miteinander von Klerus und Laien nicht zu bewältigen sein. Dabei darf sich keine Gruppe verweigern, und nun ist „ auf Sein Wort hin" die Stunde der Laien. Gerade weil demokratische Formen in der Kirche zarte Pflänzchen sind, sollte man sie nicht verkümmern lassen, sondern möglichst hegen und pflegen. Resignation mag für Nestroy „die edelste Nation unter allen Nationen" sein, in der Kirche und für die Kirche ist sie aber sicher fehl am Platz.

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