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Die Tage des Brückenbaues

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Papst Johannes Paul II. ist da. Zum zweiten Mal. Was bewegt ihn zu den vielen Reisen? Auf die Frage eines Journalisten, ob er es überhaupt aushalten würde, im Vatikan eingesperrt zu sein, antwortete er: „Ich kehre immer wieder gerne nach Rom zurück, denn ich bin der Nachfolger Petri. Aber ich bin auch Paulus und in diesem Sinne fühle ich mich verpflichtet, als Apostel in die ganze Welt hinauszugehen.“

Nach diesen Worten kommt der Papst nicht so sehr als Petrus zu uns, sondern als Paulus, als der Apostel und Missionar, der sich gesandt weiß, allen Menschen das Evangelium zu verkünden.

Und Österreich schafft für seine Verkündigung Rahmenbedingungen, wie sie sonst kein Missionar und Prediger zur Verfügung hat. Große Tribünen werden errichtet, Menschen aus allen Teilen. Österreichs und aus den Nachbarländern werden zusammenströmen, feierliche Gottesdienste werden gestaltet werden, Fernsehen und Hörfunk werden seine Worte durch je dreißig Stunden übertragen. Kaum jemand wird von diesem Ereignis unberührt bleiben, kann ihm aus dem Wege gehen.

Und trotz dieses riesigen Einsatzes an Mitteln gilt für den Papst das gleiche, was für den jüngsten Kaplan und für jeden Christen gilt, der das Evangelium an andere weitergeben möchte. Er kann dieses Ziel nur erreichen, wenn der Zuhörer sich in Freiheit öffnet und der Heilige Geist die Herzen bewegt. Das Fundament des Glaubens ist Freiheit und Gnade. „Niemand kann sagen: Jesus ist der Herr!, außer im Heiligen Geiste“ (1 Kor 12,3). Uber den Glauben des einzelnen kann selbst der Papst nicht verfügen. Auch der massive Einsatz von Mitteln kann an diesem Grundgesetz des Glaubens nichts ändern.

Johannes Paul II. bezeichnet seine Reisen als „Pastoralreisen“. Er kommt also als „Hirte“. Vom guten Hirten heißt es in der Schrift, daß er die Seinen kennt und daß er im Anbück der Volksscharen Mitleid hat, „denn sie waren geplagt und verwahrlost wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mt 9,36). Zum Hirten, wie ihn die Bibel zeichnet, gehört das Wissen um die konkreten Lebensbedingungen und die Anteilnahme an den Sorgen und Nöten der Menschen.

Die Lebensbedingungen der Österreicher, speziell der österreichischen Katholiken, sind in vieler Hinsicht die gleichen wie vor fünf Jahren. Es hat sich aber auch manches im Staat und in der katholischen Kirche geändert. Es sind in der Kirche Polarisierungen und Parteiungen entstanden. Nicht wenige sind von diesen Vorgängen betroffen, sind verärgert und verbittert. Viele stehen ihnen ratlos gegenüber. Diese Polarisierungen entstehen auch—nicht nur — im Streit über die Entscheidungen „vatikanischer Stellen“ und des Nachfolgers Petri. Es sind nicht nur Bischofsernennüngen im In- und Ausland, die zu Auseinandersetzungen führen. Es ist auch der Streit um die Interpretation des Zweiten Vatikanums und über die Konsequenzen, die sich aus der unterschiedlichen Auslegung ergeben.

Dem Apostel Paulus waren solche Parteiungen nicht fremd. Er schreibt an die Korinther: „Es wurde mir nämlich, meine Brüder, von den Leuten der Chloe berichtet, daß es Zank und Streit unter euch gibt. Ich meine damit, daß jeder von euch etwas anderes sagt: .Ich halte zu Paulus' — .ich zu Apollos'—4ch zu Kephas'—,ich zu Christus'“ (1 Kor 1,12).

Paulus war damals unterrichtet von den Leuten der Chloe. Wir hoffen und wünschen, daß der Papst über unser Land und seine Kirche von möglichst vielen und zuverlässigen Leuten unterrichtet ist, und so die Sorgen, die uns bedrängen, möglichst objektiv beurteilen kann.

Paulus hat damals in Korinth die Einheit wieder hergestellt, indem er auf Jesus verwies, der für alle gekreuzigt wurde und von den Toten auferstanden ist: „Ist denn Christus zerteilt?“ (1 Kor 1,13).

Johannes Paul II. kommt aber nicht nur als Paulus, er kommt auch als der Nachfolger Petri. Petrus heißt Fels. Petrus war ein eigenartiger Fels; ein Fels, der selbst geschwankt hat — Petrus hat Jesus verleugnet; ein Fels, der andere zertrümmern wollte - er griff zum Schwert und schlug einem Knecht des Hohenpriesters das Ohr ab. Petrus war aber auch der Fels, das Fundament, auf das Jesus seine Kirche baute. Petrus ist derjenige, der, nachdem er sich selbst bekehrt hat, seine Brüder und Schwestern im Glauben stärken soll.

Petrus war ein Mensch wie wir. Er hat Fehler begangen, sie eingestanden. In seiner Schwachheit ist Gottes Kraft zur Vollendung gekommen.

Der Papst ist sein Nachfolger. Auch in seiner Schwachheit soll sich Gottes Kraft zeigen. Er soll das Fundament der Einheit sein. Und er ist dies vor allem als „Pon-tifex“, als Brückenbauer. In diesen Tagen des Papstbesuches sollen Brücken gebaut werden: zwischen Gott und all den Menschen, die sich schwertun im Glauben, zwischen Juden und Christen und zwischen den verschiedenen christlichen Kirchen, unter den verschiedenen Gruppen in der katholischen Kirche, zwischen Rom und den Ortskirchen, von Mensch zu Mensch. Daß solches möglich ist, hat sich beim Papstbesuch und Katholikentag 1983 zumindest für einige Tage gezeigt.

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