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Digital In Arbeit

Die Technik wird alles verändern

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Die 35-Stunden-Woche forcierte der kürzlich abgehaltene ÖGB-Kongreß zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Wird das der sich abzeichnenden Entwicklung gerecht?

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Die 35-Stunden-Woche forcierte der kürzlich abgehaltene ÖGB-Kongreß zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Wird das der sich abzeichnenden Entwicklung gerecht?

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Wenn wir an Arbeit denken, so kommen uns heute kaum mehr die rauchenden Schornsteine des Ohio-Tales in den Sinn. Silicon Valley ist das Modell, das jeder Politiker heute nachzuahmen versucht, wenn er im eigenen Staat Industrie fördert. Wir leben in einer post-industriellen Gesellschaft — aber im Grund genommen ist all das Bisherige noch gar nichts.

In der Archäologie klingen Alt-Steinzeit und Neu-Steinzeit recht ähnlich. Tatsächlich benennen sie aber zwei ganz unterschiedliche Epochen. In ähnlicher Weise befinden wir uns derzeit im „alten“ Informationszeitalter. Das

„neue“ steht noch bevor. Dieses wird einen Umbruch in der Welt der Arbeit mit sich bringen.

Eine der Veränderungen, die die neue Ära hervorbringen wird, könnte der massive Verlust an Arbeitsplätzen sein. Diese Erscheinung vorzubereiten und sich an sie anzupassen, verlangt, daß wir unsere Einstellung zu Beschäftigung und Arbeitslosigkeit drastisch ändern. Es geht darum, die Folgen solcher Veränderungen heute ins Auge zu fassen, wenn wir den Wunsch hegen, den Ubergang in die neue Ära reiT bungslos zu vollziehen.

Im folgenden ein kurzer Uberblick über einige der Veränderungen:

• Baugewerbe: Wie schon bisher wird im neuen Informationszeitalter Wachstum die Triebfeder neuen Wachstums sein. Büro- und Wohnkomplexe werden im Baukastensystem vorfabriziert in halb-automatisierten Fabriken und zur Baustelle transportiert.

Die Arbeitskosten werden einen Bruchteil des Gesamtaufwandes betragen. Architekten-, Ingenieur- und Planungsarbeit werden durch dieses Verfahren minimiert.

• Transportwesen: Die Telekommunikation wird ein dickes Stück aus dem Kuchen der Transportleistungen herausschneiden. Einzelgespräche, Konferenzschaltungen, Video- und holographisehe Bilder werden sowohl Geschäfts- wie individuelle Reisen ersetzen.

Die Beschäftigung bei der Eisenbahn wird weiterhin alle 25 Jahre auf die Hälfte fallen.

Im Flugvei kehr besorgt sich der Fahrgast am Computer-Terminal sein Ticket selbst. Flug- und Reiseagenten werden dezimiert.

• Finanz-, Versicherungs- und Realitätenwesen: Hier spielt sich noch Dramatischeres als im Flugverkehr ab. Der Sektor wird von Kopf bis Fuß integriert. Die Großbanken haben die kleinen und die anderen Dienstleistungen geschluckt...

• Verwaltung: Bundes-, Landesund lokale Verwaltung verlieren unter dem Druck von Budgetengpässen ihre Rolle als Beschäftigungsauffangbecken.

Dieser mit Akademikern, Managern und Beamten vollgestopfte Sektor wird der Computer wie ein Rasierer kahlscheren. Der Informations-Leckerbissen ausgrabende Beamte wird vom Terminal mit Direktanschluß an ein Informationssystem weggefegt.

• Industrie: Das Bild der riesigen, dunklen, unbemannten Fabrik, die fast ohne Arbeitskraft auskommt, wird zur weitverbreiteten Wirklichkeit Alle drei wichtigen Produktionssysteme — Grundstoffindustrie, Massenproduktion und Erzeugung kleiner Serien - sind vollautomatisiert.

Eine Person überblickt bei Bedarf die vollautomatische Produktion. Bestellungen erfolgen elektronisch. Flexible Produktionseinheiten werden oftmals täglich neu programmiert. Lager und Verteilersysteme gehören der Vergangenheit an. Produktion auf Bestellung ist das Kennzeichen wahrhaft integrierter Systeme: vom Auftragseingang über Design, Materialeinsatz, Herstellung, Verteilung und finanziellen Transfers.

• Handel: Der Großhandel ist verschwunden. Informationstechnik heißt Direktverbindung. Auch der Detailhandel spürt die Veränderung. 50 Prozent der Einkäufe werden elektronisch von Heimcomputern aus getätigt. Der Verbraucher ruft Videos und Dokumente nach Wunsch auf, um Produkte, Liefertermine und Preise zu vergleichen. Bestellung und Bezahlung erfolgen elektronisch. Die Ware, selbst die nach persönlichen Wünschen erzeugte, wird wahrscheinlich keinen menschlichen Einsatz mehr erfordern.

• Dienstleistungen: Der „Ein Mann — ein Computer“-Dienst kommt in vielen Bereichen zum Einsatz.

Reparaturdienste verschwinden in dem Maße, als „Selbst ist der Mann“-Fehlererkennungssy-steme zum Verkaufsschlager werden....

Früher einmal mögen diese Szenarien unglaublich gewirkt haben. Heute nicht mehr. Die Vorstellung, daß uns das Informationszeitalter in den nächsten 25 Jahren solches beschert, ist äußerst glaubwürdig.

Technisch ist all das heute in unserer Reichweite. Gesellschaftlich können wir zwar wählen, aber die mit voller Geschwindigkeit ablaufende Entwicklung scheint nicht zu stoppen. Ein anderer Weg, und unsere Wirtschaft wird schlicht wettbewerbsunfähig. Von Japan bis in die Dritte Welt bringt die Einführung der Infor-mationstechnologie höhere Produktivität, bessere Qualität, kürzere Lieferfristen, höhere Zuverlässigkeit und geringere Kosten.

Hören wir mit den Versuchen auf, jedermann einen 40-Stun-den-Job zu verschaffen, und fangen wir damit an, Wirtschaft und Gesellschaft neu zu bedenken. Weniger Leute werden arbeiten. Und wer angestellt ist, arbeitet kürzer.

Heute müssen wir damit beginnen, diese Probleme zu bedenken. Unsere Erfahrung lehrt uns, daß der technische Wandel rascher voranschreitet, als sich die Gesellschaft anpaßt. Die zur Handhabung des Uberangebots an Pseudo-Arbeitskraft notwendige Anpassung ist dramatisch.

Der Autor ist Professor für industrielles Ingenieurwesen an der Technischen Universität von Georgia (USA), sein Beitrag ein Auszug aus „The Futurist , aus dem Englischen übersetzt von Christof Gaspari.

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