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Die Teilnahme an Hitlers Krieg

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(fmglgm)-Tiso wurde nach dem Krieg auch wegen der Kriegserklärung der „unabhängigen" Slowakei an die Sowjetunion angeklagt. Desgleichen deswegen, weil er deutschen Soldaten Tapferkeitsmedaillen für die Unterdrückung des slowakischen Aufstandes in Banska Bistrica am 30. Oktober 1944 verliehen hat. Bei Eintritt der Slowakei in die Kampfreihen Hitlers gegen die Sowjetunion sagte Tiso folgendes: „Die slowakische Armee befindet sich jetzt in der Reihe europäischer Staaten, um zu zeigen, daß der slowakische Staat bereit ist, gegen den Kommunismus zu kämpfen. Die Teilnahme der slowakischen Armee am Krieg ist Ausdruck des Willens der slowakischen Nation. Das slowakische Volk verteidigt seine Selbständigkeit - andernfalls würde es einen höllischen Verrat begehen."

Soweit zum Kriegseintritt der Slowakei an Deutschlands Seite. Die

Anklage warf Tiso auch vor, mit jenen Deutschen zusammengearbeitet zu haben, die den slowakischen Aufstand unterdrückt hatten. Dieser Aufstand wird heute als Eintritt der Slowakei in die Reihe der freien demokratischen Länder der Welt bewertet, die den Kampf gegen Hitler aufnahmen. Tiso hat tatsächlich die Deutschen gerufen, um bei der Wiederherstellung der „Ordnung" in der Slowakei behilflich zu sein. Der Verteidiger Tisos, Anton Rasu, verwies beim Prozeß jedoch darauf, daß Tiso bei einem vorbereiteten Ereignis mißbraucht worden sei und gar nicht wußte, was in Banska Bistrica wirklich geschehen war.

In einem bereits 1944 erschienenen Buch über diesen Aufstand wird mit der These abgerechnet, daß Tiso angeblich gezwungen worden sei, nach Banska Bistrica zu fahren, um den Deutschen für die Niederschlagung der Revolte zu danken und dabei eine Messe mit Te deum zu lesen. Das Buch hält fest, daß alles auf Initiative Tisos geschehen sei, denn Tiso sei der Meinung gewesen, nur Hitler könne den Zerfall des slowakischen Staates verhindern.

■ Die andere Auffassung ist, daß Tiso nach Banska Bistrica fahren mußte, und daß man ihm dort ohne Vorbereitung gesagt habe, daß er der deutschen Einheit, „die die Ordnung wiederhergestellt hat", seine Dankbarkeit bezeigen müsse; dann habe man Medaillen gebracht und Tiso habe sie bloß ausgeteilt. Was den feierlichen Gottesdienst betrifft, gibt es Zeugenaussagen aus kirchlichen Kreisen, daß es sich dabei nur um eine stille Messe gehandelt habe. Tiso selbst - so wird in dem slowakischen Fernsehfilm vermerkt - hat sich nie darüber geäußert, daß er zur Fahrt nach Banska Bistrica gezwungen worden sei. Der Ankläger meint, daß Tisos Hauptschuld in der Verantwortung dafür liege, was sich in der Slowakei nach dem 30. Oktober 1944 abgespielt habe: Inhaftierungen der Teilnehmer des Aufstandes, der Juden, die sich daran beteiligt hatten.

Tiso und ein Teil der Regierung haben nach dem Einmarsch der Roten Armee in die Slowakei Bratislava verlassen. Eine Zeitlang hielten sie sich im Kloster Altötting versteckt, wo sie von amerikanischen Soldaten entdeckt wurden. Auf Aufforderung der Tschechoslowakei lieferten die Amerikaner Tiso aus. Am 2. Dezember 1946 wurde Tiso in Prag vor Gericht gestellt.

Wie es in dem TV-Film weiter heißt, habe man Tiso beim Prozeß ihn belastende Filme vorgeführt. Die Verteidigung habe ihm zwar empfohlen, sich davon zu distanzieren, um den Beschuldigungen widersprechen zu können. Dazu sei Tiso abernicht bereit gewesen.

Der Ankläger Tisos sagt heute: „Der Tiso-Prozeß fand in der Öffentlichkeit statt. Tiso hat sich diese Öffentlichkeit gewünscht, um seine Anschauungen propagieren zu können. Bei der Präsentation der Filme und der Unterlagen - zum Beispiel über die Konzentrationslager - hat Tiso niemals Reue gezeigt. Beim Prozeß ist er als Verteidiger der Idee des slowakischen Staates aufgetreten, der meiner Meinung nach ein faschistisches Regime repräsentiert hat."

Autoritärer Charakter

Demgegenüber verweist der Verteidiger auf den autoritären Charakter Tisos, den er schon bei seiner Ausbildung im Wiener Pazmaneum anerzogen erhalten habe. Deswegen konnte und wollte Tiso auch nichts gestehen oder gar Reue zeigen.

Noch einmal Ernest Zabkaj im Wortlaut: „Man sagt, alles, was Tiso getan hat, hat er unter dem Druck der Deutschen getan. Aber nach dem Tode Hitlers, als der neue Staatschef Admi-ral Dönitz kurz an die Macht kam, war Tiso der erste und höchstwahrscheinlich der einzige, der diesem ein Gratulationstelegramm mit dem Ausdruck der Treue geschickt hat. Diese Tatsache wurde beim Prozeß besonders negativ aufgenommen) zumal Tiso dieses Telegramm nach seiner Flucht aus Bratislava in Österreich abgeschickt hat. Tiso hatte gehofft, daß es noch zu einem Konflikt zwischen West und Ost kommen wird, er wollte ein antisowjetischer slowakischer Märtyrer werden."

Mit der Verurteilung Tisos wurde auch jene antitschechische Politik verurteilt - heißt es abschließend in einem Resümee des TV-Films -, die zur Separation des slowakischen Staates geführt hat. Tiso sei auch beschuldigt worden, das slowakische Volk dem deutschen Faschismus untergeordnet zu haben.

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