7035025-1989_45_13.jpg
Digital In Arbeit

Die Teilung der Macht

Werbung
Werbung
Werbung

Im August hat der ANC in Lusaka (Sambia) einen Friedenplan in fünf Punkten zur Lösung des Apartheidproblems angenommen. Dieser Plan wird von der weißen Anti-Apartheidbewegung Mass De-mocratic Movement (MDV) unterstützt. Ende August besuchte der jetzige Präsident Südafrikas Frederik de Klerk Zaire und Sambia und führte mit den Präsidenten

beider Länder Gespräche hinter den Kulissen über eine friedliche Lösung des Apartheidproblems.

Am 6. September dieses Jahres gab es dann noch einmal Parlamentswahlen, von denen die schwarze Bevölkerung als Staatsbürger Südafrikas ausgeschlossen war. Die Anti-Apartheidbewegung ist eine sehr breite Bewegung, es gibt viele Organisationen, und jede ist auf ihre Art engagiert.

Der Native Congress, der heutige ANC, forderte kurz nach seiner Gründung, die Unabhängigkeit des Landes, die die Engländer nur der weißen Bevölkerung zugestanden hatten, zurückzulegen, weil er für die Unabhängigkeit des gesamten Landes eintrat. Die Strategie Mahatma Gandhis, der gewaltlose Kampf, beeinflußte die Führer dieser Bewegung (Gandhi hat als junger Advokat von 1894 bis 1913 in Südafrika gelebt).

Trotz des repressiven Arsenals des Apartheidsystems verließ der ANC nie diese Strategie der Gewaltlo-sigkeit. 1948 forderte eine Jugendbewegung des Kongresses, deren Führer Mandela, Tambo, Sisulu und Kotane waren, ein offensiveres Vorgehen gegen das Apartheidsystem: es gab Streiks und eine Kampagne des Ungehorsams.

1955 haben sich alle Anti-Apartheidbewegungen wie ANC, Indischer Kongreß, Kongreß der Mischlinge, Kongreß der weißen Demokraten (die für die verbotene kommunistische Partei standen) und der SACTO (South Af rican Congress of Trade Union) zu einem Volkskongreß in Kliptown getroffen. Dieser Kongreß verabschiedete eine sogenannte „Freiheitscharta“, deren Inhalt sich mit den UNO-Menschen-rechten deckt.

Eine neue Gruppe junger Leute trat auf, die aus dem ANC austrat und den PAC (Pan-Africanist Congress of Azania) gründete, eine ausschließlich schwarze Anti-Apartheidbewegung. Der PAC genoß eine große Popularität. Man kann sogar sagen, daß sich die UNO dank dieser Bewegung ernsthaft mit der Apartheidfrage zu beschäftigen begann.

Im März 1960 wurden auf einer von der PAC organisierten Demonstration in Sharpeville 69 Menschen getötet. Dieses Massaker rief internationale Reaktionen hervor. Ungeachtet der Kritik des ANC, der PAC mache aus Menschen Kanonenfutter, hatte dieser von nun an eine Option auf den bewaffneten Kampf. Eine bewaffnete Kampftruppe, die Umkonto we Suzwe, will gewaltsam die nationale Befreiung Südafrikas erreichen, und auch der PAC gründete seine Kampftruppe, die POQO.

Gegen die Apartheid kämpfen auch die Mitglieder der trotzkisti-schen Gruppe Unity Movement, die

sich auch African People's Demo-cratic Union of South Af rica nennt, sie sind größtenteils Mischlinge.

Die 1921 gegründete South African Communist Party kämpfte anfangs ohne Schwarze gegen die Apartheid. Aber nach der Erhängung weißer Syndikalisten 1922 änderte sie ihre Taktik, ohne von der Grundidee, daß es sich um einen Klassenkampf, nicht um einen Rassenkampf handle, abzugehen. Diese Partei spielte aufgrund ihrer Organisiertheit und ihrer internationalen Kontakte eine wichtige Rolle. Sie ist dogmatisch und agiert äußerst geheim. Die Zugehörigkeit einiger Führungspersönlichkeiten des ANC auch zu dieser Partei wurde nicht preisgegeben, abgesehen von einigen wenigen: Dan Tloo-me, der Präsident der Partei, ist auch Mitglied des Rates des ANC. Die kommunistische Partei glaubt, nur mir einem Volksaufstand das System bekämpfen zu können.

Nach der Inhaftierung Nelson Mandelas und der Führer der kommunistischen Partei und des PAC nahm der politische Widerstand neue Formen an. Studenten und Arbeitergewerkschaften wurden anf ang der siebziger Jahre im BCM (Black Consciousness Movement) aktiv. Die Akteure waren die South African Students Organisation (SASO) unter Steve Biko, die keine Weißen aufnahm, aber Mischlinge und Inder, und die Black Allied Workers Union (BAWU) unter DrakeKoka.

Der BCM lehnte den bewaffneten Kampf ab und war für eine intensive politische und soziale Arbeit in den Ghettos. Diese Taktik des BCM und der Sieg Angolas und Mozam-biques über Portugal gaben den Anstoß für den Aufstand der Jugendlichen in Soweto im Juni 1976. Ein Jahr später wurden alle Organisationen, die zum BCM gehörten, verboten.

Die Entwicklung der Anti-Apartheidbewegungen ist sehr schwierig und eng verbunden mit den politischen Ereignissen im Land. Der PAC zum Beispiel hatte innere Kämpfe auszustehen, die sogar zur Ermordung der Führer führten. Dem ANC wird seine Verbindung

zu weißen Progressisten der kommunistischen Partei und der Sowjetunion vorgeworfen.

Die Marxisten wieder finden, daß der ANC die nationale Befreiung aufhält. Sie wollen keine Allianz mit ihm, dessen Mitglieder sie für Nationalisten und Bourgeois halten. Aber die schwarze Bourgeoisie ist auch nicht homogen.

Eine ihrer Ausformungen sind die Bürokraten in den Bantustan (siehe Seite 12). Einer ihrer hervorstechendsten Vertreter ist der Chef des Zululandes, Mangosuthu Bu-thelezi. Der Inkatha-Gründer tritt gegen die Bantustanisierung auf, verteidigt die Arbeiter und fordert 'die Aufteilung der Macht. Die In-katha war anfangs eine rein ethnische Bewegung, die sich dann mit einer indischen Partei und einer Mischlingspartei zusammentat und die United Black Front gründete.

Diese Allianz wird von den internationalen Konsortien und den USA gehätschelt, weil sie sie einer rassistischen Regierung oder dem ANC vorziehen. Wird Buthelezi der südafrikanische Muzorewi (Übergangspräsident in Rhodesien-Zim-

babwe von Ian Smith zu Zanu und Zapu)?Der ANC hat heute sowohl internationale Unterstützung als auch Anhänger in den Frontländern. Das de facto Verbot von 17 Anti-Apartheidbewegungen im Februar 1988 und die Verhängung des Ausnahmezustandes 1986 verschärften die Lage.

Der Congress muß heute ernsthafte Entscheidungen treffen. Die Frage des bewaffneten Kampfes, den niemand aufgeben will; die Gewerkschaftsfrage, die große Perspektiven eröffnet, da der COSA-TU (Congress of South Africa Trade Union) in der Mehrheit für den ANC ist; die Erschließung der landwirtschaftlichen Gebiete und der Kirchen, die noch ein großes politisches Betätigungsfeld sind.

Das Zögern des ANC vor der Lösung dieser Aufgaben wird durch die Angst hervorgerufen, die Einheit der Bewegung nicht zu gefährden, und durch die noch nicht gelöste Führungsfrage. Hinter den Kulissen tobt der Nachfolgekampf um den Posten von Oliver Tambo. Es geht um ein Gleichgewicht zwischen Falken und Tauben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung