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die Umweltgifte im Trinkwasser

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nen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Das entspricht einem Verbrauch von rund 100 Kubikmetern pro Kopf und Jahr (275 Liter im Tagesdurchschnitt).

Eingehende Analysen in der BRD - sie können dank verfeinerter Analyse-Methoden erst seit kurzem durchgeführt werden - zeigen ein weiteres Problem auf: Das Grundwasser enthält Pestizide. Von 141 in Bayern untersuchten Wasserwerken wurde man bei 100 fündig. In 49 Fällen lag die Belastung über dem seit Anfang Oktober neu festgesetzten (mit 0,5 millionstel Gramm äußerst niedrigen) Grenzwert. Jahrzehntelang hatten die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln allerdings versichert, ihre Produkte kämen gar nicht bis ins Grundwasser. Jetzt sind sie aber doch drin.

Es muß allerdings festgehalten werden, daß wir derzeit Pestizide nicht hauptsächlich aus dem Wasser aufnehmen. Die Belastung etwa von Kernobst und Zitrusfrüchten ist nämlich meist viel höher als die des Wassers. Das haben bezeichnenderweise die Vertreter der deutschen Wasserwirtschaft aufwendig errechnen lassen, um die relative Unschädlichkeit ihres „Produkts“ herauszustellen.

Eine weitere Hauptquelle der Wasserverschmutzung sind die chlorierten Kohlenwasserstoffe. Insbesondere das als Lösungsmittel verwendete Perchloräthylen (Per). Österreich „verbraucht“ davon jährlich rund 10.000 Tonnen.,

Denn Per ist ein Stoff mit besonderen Eigenschäften: Er wandert durch Kunststoffleitungen, sickert sogar durch Beton, verdunstet an der Luft, sinkt zu Boden und gelangt dadurch ebenso ins Grundwasser wie wenn er vom Regen aus der Luft ausgewaschen wird. Vor allem aber: Er wird nicht abgebaut und ist giftig.

Selbst das ausgezeichnete Wiener Trinkwasser enthält Spuren, von chlorierten Kohlenwasserstoffen. Genaugenommen findet man in Österreich nirgendwo mehr Trink-

wasser, das diese Schadstoffe nicht enthält. „Das wasserreiche Österreich müßte verdursten, würden die von der EG-Richtlinie vom 15. Juli 1980 vorgeschlagenen und von den USA praktizierten Grenzwerte von einem Mikrogramm (Per) pro Liter eingehalten“, schreibt Werner Katzmann in „Umweltreport Österreich“. Besonders betroffen ist der riesige Grundwasserstrom unter dem Wiener Becken, ein Wasserreservoir für 300.000 Österreicher.

Das Besorgniserregende an der Sache ist die Lebensdauer des Per. Manche Quellen sprechen von einer Lebenszeit von 8000, andere von einer Halbwertszeit von 6.000 Jah^ ren! Und die mit chlorierten Kohlenwasserstoffen verbundenen Gefahren sind wie üblich schwerwiegend, aber nicht unmittelbar augenscheinlich. Denn bei den gegebenen Belastungen erhöht sich eben „nur“ das Krebsrisiko, es treten nervöse Störungen sowie Leber- und

Nierenschäden auf.

Nicht zuletzt muß auf die absehbaren Folgen der Versauerung der Böden und der Gewässer hingewiesen werden. Denn sauer ist nicht nur der Regen, sondern alles, was Regenwasser aufnimmt, wird auf lange Sicht ebenfalls mit Säure angereichert - also auch das Grundwasser. Je saurer aber das Wasser ist, umso eher lösen sich darin die im Boden abgesetzten giftigen Metalle wie Arsen oder Blei. Diese Entwicklung ist absehbar. Wenn sie sich auch derzeit noch nicht in Wasserqualität meßbar niederschlägt, sollte doch schon jetzt vorgebeugt werden.

Der Mensch kommt nämlich nicht ohne Wasser aus. Er muß täglich etwa zwei Liter davon zu sich nehmen. Je mehr das Wasser aber die von menschlichen Produktionsprozessen abgegebenen Stoffe enthält (und sei es zunächst nur in Spuren), desto mehr werden wir langsam vergiftet.

Eine Möglichkeit, das Wasser zu entgiften, besteht darin, es in sehr aufwendigen Wasseraüfbereitungs-anlagen mit Aktivkohle zu filtern. Damit lassen sich zwar nicht alle, aber doch viele Giftstoffe eliminie-

ren. Allerdings sind die Kosten für eine solche Säuberung beachtlich. Um etwa ein Kilo Atrazin auszufil-tern, ist ein Aufwand von etwa 70.000 Schilling erforderlich.

Man braucht dazu nämlich zehn Tonnen Pulverkohle, die nach der Filterung übrigens als Sondermüll entsorgt werden müßte, weil bei ihrer Verbrennung Dioxin entstehen kann.

Ob es bei der Vielfach-Belastung überhaupt möglich sein wird, Ursachen und Wirkungen in Beziehung zu setzen, ist fraglich. „Krebs hat kein Mascherl“, hat der Ökologe Bernd Lötsch einmal in der Atom-Diskussion festgestellt. Und gleiches gilt für die Folgen aller Umweltgifte. Auf diese mangelnde direkte Zuordnungsmöglichkeit können sich die Verfechter der Fortsetzung des bisherigen Weges nur allzu leicht berufen.

Bedenkt man außerdem, daß eine Richtung der gentechnischen Forschung darauf abzielt, Nutzpflanzen gegen Pflanzengifte immun zu machen (siehe Seite 15), um möglichst massiv Pestizide einsetzen zu können, so erkennt man, welche Katastrophen auf das Grundwasser zukommen können.

Statt jedoch neue Gefahren heraufzubeschwören, wäre es dringend erforderlich, möglichst rasch die weitere Vergiftung zu stoppen. Man muß nämlich bedenken, daß die eingebrachten Gifte erst mit großer Zeitverzögerung auch tatsächlich in das Grundwasser gelangen. Da ist mit Abständen in der Größenordnung von Jahren, ja Jahrzehnten zu rechnen. Die Sanierung des bereits entstandenen Schadens (der erst in Jahren wirklich meßbar sein wird) ist eine gigantische Herausforderung, die nicht zusätzlich erschwert werden sollte.

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