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Die unausrottbare Sehnsucht nach Unsterblichkeit

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Vertraut man Meinungsumfragen, so sinkt die Zahl derer, die an die Auferstehung nach dem Tod glauben. Wie aber ist dann der Zustrom zu den Gräbern zu erklären, wie wir ihn wieder am letzten Wochenende erlebten?

Pflegt man nur Gräber und Erinnerungen, oder haben nicht doch viele die Sehnsucht, sogar die Gewißheit, die Toten einmal wiederzusehen?

Eugen Drewermann hat vor wenigen Tagen einer Wiener Tageszeitung ein Interview über die Zukunft der Religionen gegeben. Er spricht darin von einer allgemeinen Sehn-

sucht nach Unsterblichkeit. Sobald das Bewußtsein erwacht, die Naturgesetze — hier das Gesetz des Todes -nicht einfach hinzunehmen, sondern als Probleme zu empfinden, sucht der Mensch transzendente Antworten. Es erwacht die Sehnsucht nach der Unendlichkeit.

„Ist aber das nicht nur Selbstbetrug?", fragt der Interviewer. Drewermann sieht das umgekehrt. Wenn Menschen eine starke Sehnsucht nach Liebe haben, gerade weil sie sie nie erlebten, heißt das nicht, daß es keine Liebe gibt.

Wenn die Welt als blutig und roh erlebt wird, und man sich doch nach

Frieden sehnt, bedeutet das, daß man ihn für möglich hält. Wenn sich zeigt, daß der Tod oft absurd und leidvoll ist, sei die Hoffnung berechtigt, daß der Tod nicht das letzte Wort über uns Menschen hat, sondern das Glück der Liebe, das keine Trennung duldet.

Mich haben diese Worte beeindruckt und sie sind für viele verständlich. Schade, daß Drewermann im selben Interview dann gegen das Christentum polemisiert, das die Menschen in Vertröstung auf das Jenseits oft um ihr irdisches Glück bringe. Hat nicht gerade der Glaube an das ewige Leben viele erst be-

fähigt, sich ganz für eine bessere Welt einzusetzen?

Jörg Mauthe hat in seinem Buch „Demnächst" die letzten Monate seines Lebens vor dem baldigen Krebstod beschrieben. Als ihn sein Sohn Philipp fragte: „Glaubst du an ein Weiterleben nach dem Tod?" hat er geantwortet: „Ich glaube nicht, daß ich daran glaube. Aber natürlich, lachen tat ich schon, wenn da was wäre, nachher." Ich lese nicht Zynismus heraus, sondern unausrottbare Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Wer an die Auferstehung der Toten glaubt, darf schon in diesem Leben etwas von solchem Lachen haben.

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