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Die Vermittlungs-Ges. m. b. H.

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Bundeskanzler Bruno Kreisky in Kairo und Damaskus — hat hier Österreichs politischer Max Reinhardt eine neue Supershow ad maiorem gloriam seiner eigenen Person abgezogen? Oder ist diese Reise doch etwas anders zu bewerten als der Prominentenauftrieb von Schloß Kleßheim, der nun wirklich wenig mehr als Public Relations für Österreichs Bundesregierung, vor allem aber für die Regierungspartei gebracht hat?

Spätestens in Kairo hat sich gezeigt, auf welche außenpolitische Goldader Österreichs Bundeskanzler gestoßen war, als er sich zum Promotor einer Erkundigungsmission sozialistischer Politiker in die Zentren des Nahostkonflikts machte. Ganz zweifellos wird diese Reise auch innenpolitischen Zusatznutzen für Kreisky zeitigen, aber den hat er sich redlich verdient. Denn der Primäreffekt ist ein außenpolitischer, und zwar nicht nur ein außenpolitischer Erfolg für Österreich, sondern ein österreichischer Beitrag zur weiteren Entschärfung eines den Weltfrieden gefährdenden Krisenherdes. Und es spricht sehr viel dafür, daß es sich hier um mehr als nur optische Effekte handelt.

Mit dieser Reise wurde aber auch eines jener seltenen Exempel für Österreichs nicht erst seit 1945 betonte Rolle als Brücke zwischen Lagern und Vermittler in internationalen Konflikten gesetzt — es hat ja Zeiten gegeben, in denen die formelhafte Beschwörung dieser österreichischen Rolle schon an Lüge grenzte, weil sie in einem solch krassen Mißverhältnis zur Wirklichkeit stand, aber auch zu Österreichs Passivität angesichts eben dieser Wirklichkeit.

Solche Passivität wurde hier spektakulär durchbrochen. Denn die „Fact-Finding-Mission“ der Sozialistischen Internationale erfolgte ja nicht auf Grund einer Einladung. Im Gegenteil. Die Abgesandten der internationalen Organisation sozialistischer Parteien haben sich höchst unbescheiden selbst in den Nahen Osten eingeladen und sind dabei keineswegs überall auf große Gegenliebe gestoßen. In Israel besteht nach wie vor einiges Mißtrauen gegenüber dieser europäischen „Extratour''. Wenn in diesem Konflikt schon unbedingt von außen vermittelt werden muß, dann soll diese Tätigkeit doch lieber in einer einzigen starken Kissinger-Hand konzentriert bleiben.

Kreisky war anderer Meinung, und die Sozialistische Internationale schloß sich ihm an. Der Empfang durch Sadat hat gezeigt, was Kreisky mit sicherem Instinkt erkannt hat: Trotz oder gerade wegen Kissinger besteht im Nahen Osten durchaus noch Bedarf an weiteren Kanälen, über die das „Gespräch der Feinde“ geführt werden kann.

Denn auch — oder vielleieht gerade — dann, wenn der Prozeß des nahöstlichen Ausgleiches unter der Ägide eines übermächtigen Vermittlers, wie den USA, eingesetzt hat, besteht ein Bedürfnis nach einem Boden für Gespräche, denen nicht automatisch der Ruch einer Pax Ameri-cana anhaftet. Auch dann, wenn Kissingers Schatten, die amerikanischen Interkontinentalraketen samt CIA total zu verdecken scheint, s'teht die amerikanische Macht (und die amerikanisch-sowjetische Interdependenz) unübersehbar im Hintergrund. Wenn überhaupt die Chance besteht, den Nahen Osten dauerhaft zu befrieden, dann werden die Feinde von gestern und Partner von morgen bei der Konstruktion eines von Großmächte-Bevormundungen möglichst freien Modus vivendi einen Raum für Gespräche brauchen, der von den Großmächten nicht abgehört wird. Die Kleinen, die Machtlosen, können ihnen dabei zweifellos eine wertvolle Hilfestellung bieten. Dies ist die Chance dieser nahöstlichen Mission, deren Etikettierung als „Fact-Finding-Mission“ zweifellos auch den Sinn hat, erste Keime eines vorsichtigen „policy-making“ vor allzu scharfen Winden, außenpolitischen wie innenpolitischen in den verschiedenen Ländern, zu schützen.

Österreich spielt dabei die Rolle eines politisch neutralen Landes — eines Landes, dessen Interessenlage sich jeder Gesprächspartner an den fünf Fingern ausrechnen kann: sicher sind die Österreicher wirtschaftlich keineswegs desinteressiert. Sie möchten exportieren, vor allem aber ihre Energieversorgung sichern und sind an guten Beziehungen mit jedem möglichen Handelspartner sosehr interessiert, daß kein Konflikt, gleichgültig in welcher Ecke der Welt, in ihrem Interesse liegen kann.

Als ein von machtpolitischen Interessen sozusagen nachweislich freies Land hat Österreich — und haben Österreicher — überall dort eine Chance, wo heikle politische Prozesse aus der Dominierung durch Großmächte herausgehalten werden sollen — oder wo, im Schatten der Großmächte, das Bedürfnis besteht, einen von der Dominierung durch die Großmächte freien Gesprächsbereich zu schaffen. Österreich hat hier die Großmächte als Vermittler nicht zu konkurrenzieren, sondern zu ergänzen.

Wobei es Kreiskys Kunstgriff war, als Österreicher die Sozialistische Internationale einzuschalten. Das war nun tatsächlich ein Coup, der die Pranke des Löwen verriet: Kreiskys „Fact-Finding-Mission“ einerseits durch solche Erweiterung aufgewertet und anderseits als echte Vermittlungs-Ges. m. b. H. vor dem Zurückfallen etwaiger Mißerfolge auf ein einzelnes Land gesichert, zugleich der Pluralität der nahöstlichen Streitpartner eine Pluralität sozialistischer Vermittler gegenübergestellt, so daß Gespräche über eine Vielzahl von Kanälen laufen können.

Sadat hat offensichtlich die Nützlichkeit dieser Mission erkannt. Trotzdem kann man sich gut vorstellen, daß die Herzlichkeit dieser beiden Politiker nicht zur Schau getragen, sondern echt war: zwei Männer insofern ähnlicher Statur, als Anwar es.Sadat zweifellos an einem Ende des schwelenden Konflikts ebenso gelegen ist wie Bruno Kreisky. Man darf neugierig sein, was diese Affinität noch zeitigen mag.*

Daß Anton Benyas Reise nach Israel — gleichzeitig mit Kreiskys Besuch bei Sadat — nicht wenigstens etwas früher oder später stattfinden konnte, dürfte sich Österreichs Gewerkschaftsboß aus seiner Sicht als arger Regiefehler darstellen. Die Show war, zumindest in Österreich, dahin. Aber sie hätte der von Kairo ohnehin nicht das Wasser reichen können.

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