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Die Vernunft an die Front

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Grundsätzlich abgelehnt hat Stephan Matzenberger die militärische Landesverteidigung (FURCHE 3/ 1986). Aber gefährdet Wehrlosigkeit nicht erst recht den Frieden?

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Grundsätzlich abgelehnt hat Stephan Matzenberger die militärische Landesverteidigung (FURCHE 3/ 1986). Aber gefährdet Wehrlosigkeit nicht erst recht den Frieden?

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Während ernstzunehmende Friedensforscher ihre Arbeit auf die Frage nach den Ursachen von Kriegen konzentrieren, weil sie seit langem erkannt haben, daß sich das Menschheitsübel nur an seinen Wurzeln erfolgreich bekämpfen läßt, stellt Stephan Mat-zenberger Vorschläge zur Diskussion, die in ihrer Naivität und Polemik nur Kopf schütteln auslösen können (FURCHE 3/1986). Das Thema Landesverteidigung sollte aber auch für ihn zu ernst sein, um es derart unsachlich und oberflächlich abzuhandeln.

Gesellschaftliche, ideologische, wirtschaftliche und machtpolitische Gegensätze sind die grundlegenden Ursachen von Konflikten. Alle Bemühungen müssen daher

darauf gerichtet sein, diese Konfliktursachen abzubauen und Schritt für Schritt zu bewältigen.

Es gibt hiefür viele Möglichkeiten. So wäre etwa die Verwirklichung der „Schlußakte von Helsinki“ aus 1975 ein bedeutsamer Schritt in Richtung einer friedvolleren Welt.

Diese Erkenntnis zugrunde gelegt, muten die Vorschläge Mat-zenbergers, die sich darin erschöpfen, den Frieden künftig durch die Umbenennung von Ministerien, den bloßen Abschluß von Verträgen und die Wiederbelebung des archaischen Häuptlingszweikampfes sichern zu wollen, recht kurios an. So sie überhaupt ernst gemeint sind und nicht vorwiegend der Suche nach Originalität um jeden Preis entspringen.

Gezielte Demagogie ist es jedenfalls, im Wissen, daß Österreichs Verteidigungsbudget eines der geringsten der Welt ist, von Aufrüstung zu sprechen. Tatsache ist vielmehr, daß ein schon immer bestehender drückender Nachholbedarf, der unsere militärische Landesverteidigung zumindest annähernd an den völkerrechtlich erforderlichen „Internationalen Standard“ heranführen soll, abzudecken wäre.

Nicht Aufrüstung, sondern Säumigkeit an erforderlichen Verteidigungsanstrengungen wäre ein aktueller Vorwurf.

Sittlich gerechtfertigte Verteidigung — und nur eine solche kommt für Österreich in Frage — ist auch nach Uberzeugung religiös und ethisch denkender Pazifisten kein Irrweg, sondern in einer zur Gewaltanwendung bereiten Umwelt ein unverzichtbarer Beitrag zur Friedenserhaltung.

Das Zweite Vatikanische Konzil — mit Sicherheit von höchster moralischer Autorität — sagt hie-zu wörtlich aus: „Solange die Gefahr von Kriegen besteht und solange es noch keine zuständige Autorität gibt, die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet ist, kann man, wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung erschöpft sind, einer Regierung das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung nicht absprechen.“

Und an anderer Stelle heißt es ebenfalls klipp und klar: „Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, betrachte sich als Diener der Sicherheit und der Freiheit der Völker. Indem er diese Aufgabe recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur Festigung des Friedens bei.“

Das österreichische Verteidigungskonzept ist objektiv nachweisbar ein an unseren Raum ge-

bundenes Defensivkonzept. Es kommt erst dann zum Tragen, wenn ein Aggressor ungerechtfertigt unser Land angreift.

Oder — und das sollten manche mehr bedenken — wenn wir als Neutraler durch mangelnde Verteidigungsbereitschaft zum Risikofaktor für andere werden.

Keineswegs ist belegbar defensive Verteidigung eine Gefahr für den Frieden, vielmehr ist Wehrlosigkeit in unserer geographischen Lage ein sicherer Weg, in kriegerische Auseinandersetzungen miteinbezogen zu werden.

Erste Aufgabe der österreichischen Armee ist es, durch ihre Fähigkeit und Bereitschaft zur Verteidigung einen Beitrag zur Abhaltung und damit zur Friedenserhaltung für uns und unsere Umgebung zu leisten.

Es geht aber nicht nur um militärische Verteidigungsmaßnahmen. Diese sind eingebettet in Vorsorgen im Rahmen einer umfassenden Landesverteidigung, die wirtschaftliche Maßnahmen sowie Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung miteinbeziehen.

Es sollte in Österreich Verteidigung nicht immer nur auf die militärische Landesverteidigung „reduziert“ werden. Ein umfassenderes Denken in Belangen der Landesverteidigung ist vermehrt erforderlich.

Der Herausforderung, die die heutige Zeit in Fragen Sicherheit an uns stellt, ist nicht mit naivdemagogischen Wunschvorstellungen zu begegnen. Aller Friedenssehnsucht zum Trotz hat die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen sogar zugenommen.

So wie jedem einzelnen Menschen die Notwehr gegen Gewalttäter erlaubt ist, dürfen und müssen auch Völker und Staaten gegen Angriffe Widerstand leisten. Ja, die Bürger erwarten sogar von ihrem Staat, daß er ihre Lebensund Rechtsgüter vor fremder Gewalt schützt.

Dabei können wir in Österreich auf einer breiten Zustimmung zur Landesverteidigung aufbauen. Unser Milizsystem, das ein hohes Maß an Integration von Heer und Bevölkerung mit sich bringt, geht dabei vom Verständnis des Staatsbürgers als Wehrbürger aus: unseren Staat und unsere Gemeinschaft in demokratischer Weise mitzutragen und mitzuge-stalten und im Falle der Bedrohung auch mitzuerhalten und zu verteidigen.

Osterreich kann, darf und will nichts anderes, als in sittlich gerechtfertigter Verteidigung einen ungerechtfertigten Angreifer abhalten und notfalls abwehren. Unser Defensiv-Konzept der Raumverteidigung ist ein glaubhafter Weg hiezu, und unser Müiz-system legt die Mitverantwortung dazu in die Hand unserer Bürger.

Der Autor, Generalsekretär des Osterreichischen Akademikerbundes, ist Milizbeauftragter der ÖVP und Milizoffizier des Bun-desneeres.

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