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Die Vertrauensfrage

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Die Freiheitliche Partei Österreichs, wie sie sich im dreizehnten Jahr ihrer Führung durch Bundesobmann Friedrich Peter präsentiert: verwechselbar, unselbständig, per- mament und erfolglos bemüht, einen Anspruch aus eigenem Recht zu definieren und zu finden. Verschwommen ist ihr politischer Standort: rechtskonservativ, reaktionär,

deutschnational, liberal, zuletzt bei einigen Gelegenheiten auch sozial; verschwommen ihre politischen Zielprojektionen: dabei sein wollen,

wenn irgend etwas entschieden wird, Verteidigung des deutschen Kulturerbes in Österreich, Europareife, gegen Koalitionen, aus denen sie ausgeschlossen ist usw. Mit einer gewissen Regelmäßigkeit entfielen bei Wahlen in den letzten zehn Jahren zwischen fünf und sechs Prozent der abgegebenen Stimmen auf die FPÖ. Da das sehr wenig ist und sehr vielen noch immer zuviel, verteidigt ihr Parteiobmann Peter die Qualität der FPÖ etwa damit, daß die Stärke der Freiheitlichen Parted eben nicht aus der Zahl ihrer Wähler und ihrer Abgeordneten in den gesetzgebenden Körperschaften auf Bundes- und Landesebene zu erschließen ist, sondern aus ihrem Standort und der Dynamik und dem Eigenwert ihrer politischen Zielsetzungen. Wer das angesichts der Tatsache, daß die beiden Großparteien jedenfalls mit ihren Flügeln das Verwechselbare an der FPÖ zur Genüge abdecken, zu begründen vermag, verdient einen Lehrstuhl für Politologie.

Dabei, das kann ihm niemand absprechen, versteht sich Friedrich Peter aufs Aufwerten. Seit nun bald zwei Jahren ist er mit den Versuchen, sich selber aufzuwerten, ausgefüllt. Dabei hat er sich die sogenannten möglichen Koalitionen zum Feld erkoren. Erst, im Winter 1970, sollte es keinen roten Bundeskanzler geben, zuletzt, im Oktober 1971, sollte es eine solchen dank seiner Mithilfe geben. In beiden Fällen haben die Wähler unmißverständlich nein gesagt; in beiden Fällen haben die Großparteien zugehört: die eine interessiert, die andere verstört. Im übrigen aber trugen und tragen sich die beiden Großparteien, was ihr Verhältnis zur FPÖ betrifft, ‘mit durchaus legitimen Hintergedanken. Die SPÖ und hier wiederum insbesondere ihr Parteivorsitzender Dr. Kreisky läßt die Führungsgami- tur der Freiheitlichen Partei im Netz der unverbindlichen Zusagen und sehr angestrengter Kooperationsbereitschaft wohl gerade so lange zappeln, bis sie sich knusprig genug gerötet hat, daß selbst notorische FPÖ- Wähler sich fragen müssen: „Warum denn nicht gleich die SPÖ.“

In der ÖVP wiederum glauben jedenfalls einige, das Stammpublikum der FPÖ sei „bürgerlich“ und „antimiarxistisch“, würde daher Peters Politik nicht’ mitmachen und irgendeinmal im Schoß der ÖVP landen. Empirisch ist diese Situationseinschätzung nicht haltbar. Dennoch profilierte sich die ÖVP ein wenig „rechts“ von der Mitte, nannte das „fortschrittlich“ und leistete damit einen überzeugenden Beitrag dazu, daß eine wichtige Nebenrechnung Kreiskys mit der FPÖ am 10. Oktober aufgegangen ist; und, wie die Dinge in der ÖVP heute liegen, auch weiter aufgehen wird: die ÖVP verliert dann an Anziehungskraft für mögliche Wählerschichten, wenn sie unablässig nach rechts schielt,

während ihr schon in der Mitte die Felle davonschwimmen.

Es läßt sich wahrscheinlich schwer beweisen, doch leicht denken, daß die erfolggekrönten Anstrengungen der ÖVP um jede FPÖ-Stimme sie zwei mögliche Stimmen aus dem Reservoir der SPÖ kosteten. Das hängt einmal damit zusammen, daß die SPÖ siebenmal mehr Anhänger als die FPÖ hat und das andere Mal damit, daß eine politische Gruppierung, die den Begriff „Volkspartei“ im Firmenschild führt, ihren Standort und ihre Zielprojektionen nicht auf die Bedürfnisse von etwa fünf Prozent der Wähler ausrichten kann. Macht sie das, dann geht’s bergab; das wiederum kann nur soviel interessieren, wie es den Autobusinsassen interessiert, wenn das Gefährt mit Renngeschwindigkeit bergab geht.

Von der Freiheitlichen Partei sollte jedenfalls derzeit für die ÖVP nicht viel zu holen sein. Friedrich Peter, das hat er zuletzt in seiner sehr lahmen Rede zum Bundesvoranschlag für das Jahr 1972 bewiesen, hält sich noch immer den Weg zur Regierungspartei offen, schon weil er zu genau weiß, daß er nach seinen vielen Fehlprognosen im abgelaufenen Wahlkampf und seiner überdeutlichen Anbiederung an den „liberalen“ Dr. Kreisky seinen Wählern und Funktionären keine neuerliche ruckhafte Kehrtwendung überzeugend klarmachen kann. Innerhalb der FP-Funktionärsclique herrscht denn auch größte Unsicherheit über den zukünftigen Kurs der Partei. Daß sich diese Unsicherheit noch nicht oder richtiger: noch immer nicht in spektakulären Äußerungen und Handlungen skeptischer FPÖ-Mandatare äußert, ist wohl darauf zurückzuführen, daß sich in der Führungsspitze der Freiheitlichen Partei ein Gefühl der Kollektivschuld breitgefmacht hat. Dies ist durchaus symptomatisch für Parteien, die von einer Niederlage in die andere taumeln, gewinnt aber im Falle der FPÖ insofern an zusätzlicher Bedeutung, als diese Partei ihre neue Rolle im Parlament gar nicht überdeniken kann, ohne auch gleichzeitig an Bundesobmann Peter und einen Gutteil der FP-Spitze die Vertrauensfrage zu stellen.

Die jüngsten FPÖ-Mißerfolge bei den Landwirtschaftskammerwahlen in Kärnten und in der Steiermark könnten vielleicht dazu beitragen, die aktuelle Lethargie in der FPÖ in dem Sinn abzubauen, daß der Unterbau der FPÖ an seine Parteiführung die Vertrauensfrage richtet. Dieser Unterbau ist nach überzeugenden Darstellungen von FPÖ-Mandataren äußerst schlecht organisiert, weil er auch in viele partikuläre Interessenlagen aufgesplittert ist. An hinreichender Kritik an Peter & Company hat es freilich nie gefehlt. Ob sie diesmal zum Chor anschwellen kann, wird selbst in der FPÖ-Füh- rung sehr unterschiedlich beurteilt. Nicht zuletzt dürfte das davon ab- hängen, ob sich jemand findet, der Steirer Dr. Götz etwa, der diesen Chor kritischer Stimmen auf das gleiche Lied und die gleiche Tonlage bringt. Dann, so hört man auch, sind Peters Tage an der Partetspitze gezählt. Freilich müßte auch ein personeller Austausch nicht unbedingt bewirken, woran es der FPÖ fehlt: an der Unverwechselbarkeit, der Selbständigkeit, an einem klaren Standort und klaren politischen Zielprojektionen.

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