6801092-1971_35_04.jpg
Digital In Arbeit

Die Volkskapitalisten

Werbung
Werbung
Werbung

Der sogenannte VolkskapitalSsmus1 ist in Österreich über sehr bescheidene Anfänge noch nicht hinausgewachsen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einmal wurde nach dem zweiten Weltkrieg insbesondere die Ersparnisbildung der Unternehmen begünstigt, um so den Wiederaufbau Österreichs und einer investitionsfreudigen privaten und öffentlichen Wirtschaft sicherzustellen. Die Risikobereitschaft der österreichischen Arbeitnehmer ist ebenso unterentwickelt wie der heimische Aktienmarkt. An diesen Tatsachen scheiterte nicht zuletzt das Experiment mit den Volksaktien, zu denen freilich zu sagen ist, daß sie vertei- tangspaMtisch nicht einmal neutral wirkten, sondern zu einer Vergrößerung der Einkommensunterschiede beitrugen.

Trotz hoher und wachsender steuerlicher Belastung ist schließlich die Verteilungswirksamkeit des öffentlichen Haushaltes relativ gering. Die Umverteilungstätiigkeit des österreichischen Staatshaushaltes war und ist in erster Linie auf die Sicherung einer Mindestversorg-ung ausgerichtet, die freilich im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte im Zuge des steigenden Lebensstandards auf ein höheres Niveau angehoben wurde.

Diese sehr knappe Skizzierung der bislang erfolglosen Bemühungen des Staates, des ÖGB und der Arbedt- nehmergruppierung in der Volkspartei um die Förderung der Ver- mögensibildung in Arbeitnehmer- hand zeigt, daß hierzulande erst der erste Schritt in Richtung dieses anspruchsvollen gesellschafts- und sozialpolitischen Zieles zu unternehmen ist. L

Unter allen bislang vorgenommenen Initiativen geht die letzte auf das Konto des ÖAAB, insbesondere seines volkswirtschaftlichen Refe renten Dr. Drennig zurück. Es handelt sich dabei um einen Entwurf, der über den Weg des „Kummer- Instituts“ schon im Vorjahr der Öffentlichkeit präsentiert wurde und nun in das Arbeitsprogramm der Valkspartei auf genommen werden soll. Dieser Entwurf „berücksichtigt im einzelnen Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Gesichtspunkte,

indem er eine bewußte Förderung der Vermögensbildung durch Begünstigung sowohl auf steuerlichem Gebiet als auch durch Befreiung von Abgaben zur gesetzlichen Sozialversicherung erreichen will“.

Die Verfasser des ÖAAB-Gesetz- entwurfes (auch ÖVP-Generalsekretär Dr. Köhlmaier zählt zu ihnen) betonen, daß der § 10 des Einkommensteuergesetzes (die Regelung der Absetzbarkeit bestimmter Sonderausgaben) von einer Förderung der Kapitalaufbringung umfunktioniert werden muß zu einer subjektbezogenen Förderung der Vermögensbildung und daß sinnvolle Förderung der Vermögensbildung auch eine Erhöhung der in Österreich geltenden Freibeträge nach dem Vermögenssteuergesetz verlangt (schon bei Erwerb eines Eigenheimes wird der Freibetrag von 80.000 Schilling zumeist aiusgenützt). Ferner wenden sich die Vermögensbildungsplaner des ÖAAB gegen die vor allem in ÖGB-Kreisen vertretene Auffassung, daß eine weitere Verbesserung des Sozialver;si chorun gssystems der beste Garant für eine Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand sei.

Widerstand vom ÖGB?

Die gesellschafts-, sozial- und schließlich wirtschaftspolitische

Motivierung der Notwendigkeit einer zielführenden Vermögens- bildung in Arbeitnehmerhand scheint heute angesichts der- noch immer steigenden Zahl der unselbständigen Erwerbstätigen und einer wachsenden Konzentration des Vermögens in den sich zusammenschließenden Unternehmen auch dort unbestritten, wo sich am ehesten Widerstand erwarten ließe: In Kreisen der Privatwirtschaft Einerseits ist die Vermögensbildung geeignet, soziale Spannungen zu überwinden, weil das Vorhandensein von privatem Eigentum die Einstellung gegenüber Staat und Wirtschaft maßgeblich beeinflußt, anderseits ist gerade das vom ÖVP-Arbeitnehmer- bund nun präsentierte Vermögens bildungssystem so formuliert, daß es die Selbstfinanzierungsquote der

Unternehmer durch einen allfälligen Rückgang des Einkommens der Unternehmer nicht beeinträchtigen dürfte.

Der stärkste Widerstand ist von jener Gruppe zu erwarten, die schon auf Grund ihrer statutarisch festgelegten Ziele größtes Interesse an der Realisierung des ÖAAB-Vermögens- bildungsplanes haben sollte — des Gewerkschaftsbundes. Noch immer meint man dort, daß jede sozialpolitische Aktivität in dieser Richtung nichts anderes sei als Samariterdienst am kranken System des Kapitalismus. Recht kraß meinte ÖGB- Vizepräsident Ing. Häuser noch 1969, daß die Vermögensbildung der durchsichtigle Versuch sei, das Klassenbewußtsein der Arbeitnehmer und ihren klaren Blick für Klassengegensätze zu verschleiern.

Differenzierter drückt sich Doktor Weissei von der Arbeiterikammer aus: er meint, Vermögensbildungs- pläne schaffen kein frei verfügbares Einkommen, üben keine neutrale Wiirkung auf die Liquidität der Arbeitnehmerkassen aus und lösen zuletzt Schwierigkeiten bei Kollektiv- vertragsverhandfangen aus. . Insbesondere das letzte Argument ist sehr gewichtig, weil es inkludiert, daß die Rolle der Gewerkschaftsfunktionäre durch allfällige Vereinbarungen über nicht auszahlbare Lohnbestandteile geschwächt werden könnte. Allerdings unterstellt dieses Argument auch den österreichischen Arbeitnehmern Einsichtslosigkeit für langfristige Zielsetzungen. Denn eines scheint klar: eine gewisse Zufriedenheit bei jenen, für die solche Pläne erstellt werden, wird erst nach einer geraumen Durststrecke erreicht. Dieser Umstand erklärt, warum sich politische Parteien, die sich noch immer den spekulären Tageserfolgen verbunden fühlen, eher skeptisch zur Realisierung von Ver- mögensbiildungsplänen äußern.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung