6978585-1986_03_01.jpg
Digital In Arbeit

Die Wahlempfehlung

Werbung
Werbung
Werbung

Jene, die mit einer der Regierungsparteien sympathisieren, wünschen sich einen Bundespräsidenten, der freundlich den Staat repräsentiert, ohne sich viel um die Politik und ihre Konflikte zu kümmern.

Jenen, die der Opposition nahestehen, steht ein Mann an der Spitze des Staates vor Augen, der hineinregiert, der das politische Treiben nicht treiben läßt.

Und jene, die sich von dem etablierten Parteisystem frustriert abgewendet haben, möchten einen Uberregierer aus dem Volk, der durch seine Amtsführung Weichen stellt.

Jener Kandidat, der Rudolf Kirchschläger nachfolgen will, muß - um gewählt zu werden — Stimmen aus allen drei Gruppierungen für sich gewinnen. Das lädt zu verwaschenen Aussagen ein, zu Unverbindlichkeit und Nebensächlichkeit.

Was wunder, wenn der Eindruck entstehen kann, am 4. Mai wird nicht der Bundespräsident, sondern der freundlichste Österreicher gewählt. Der, der am treuherzigsten schaut. Der, der am verbindlichsten lächelt. Der, der am herzlichsten die Hände schüttelt. Da schau, so ein netter Mensch...

Ein Wahlkampf, der solche Äußerlichkeiten in den Vordergrund spielt, ist ein Versteckspiel mit der Aufgabe und Würde des Amtes, um das es geht, eine unzulässige Verniedlichung.

Unsere Republik hieße nicht Österreich, würde nicht auch gleich das andere Extrem strapaziert, ein Bild, das den Bundespräsidenten als wilden Mann der Politik entwirft, der demnächst schon die - j eweils im Amt befindliche - Regierung in die Wüste schickt.

Erst in den letzten Tagen wieder ist jene Diskussion hochgekommen, die seit Bruno Kreiskys Zei-

ten unrühmliche Tradition hat: 1971 wie 1974 hat er die Wahl des Staatsoberhauptes mit dem Schicksal seiner Regierung verknüpft - und bereitwillig finden sich in allen Lagern auch heute Akteure, die solches mitspielen.

Man stellt sich vor, theoretisch, versteht sich, daß der kommende Bundespräsident unter Umständen wie diesen die Regierung ent-

lassen könnte. Ein Kraftakt sondergleichen. Und Kurt Waldheim wie Kurt Steyrer beeilen sich, solche Gedanken von sich zu weisen.

Keiner der beiden Kandidaten, das darf als sicher angenommen werden, hat diesbezüglich Gedanken verschwendet. Aber dementieren müssen sie, weil andere über ein derart demagogisch-primitives Amtsverständnis nicht hinauszukommen vermögen.

Denen, die um ihre Sessel zittern, sei's gesagt: Es ist schon alte Tradition, daß die Regierung dem neugewählten Staatsoberhaupt den Rücktritt anbietet. Na und?

Die verfassungspolitische Bedeutung des Bundespräsidentenamtes soll nicht geringgeschätzt werden. Aber — ohne ins Detail gehen zu wollen - fast alle Entscheidungen, die das Staatsoberhaupt trifft, mit Ausnahme der Ernennung und Entlassung der Bundesregierung, kann er nur auf Antrag der Bundesregierung oder eines Ministers treffen. Das ist die Realität.

Worum es geht, ist das moralisch-politische Gewicht, das mit diesem Amt verbunden ist. Rudolf Kirchschläger hat aufgezeigt, daß ein Bundespräsident mehr als nur nett sein kann.

Erst parteiloser Außenminister einer Alleinregierung, dann innerparteilich nicht unumstritte-

ner Präsidentschaftskandidat, dann respektierte moralische Autorität im Staat: Rudolf Kirchschläger hat eine Entwicklung durchgemacht, ist durch sie unumstritten und sympathisch geworden.

Er hat sich über die „Trockenlegung der Sümpfe und darüber hinaus der sauren Wiesen" zu Wort gemeldet, sich als Anwalt der Minderheiten verstanden, für die Familie und das ungeborene Leben Partei ergriffen, sich für unmittelbare und direkte Demokratie stark gemacht.

Zur Wahl empfiehlt sich, wer diese moralisch-politische Autorität den Wählern spürbar macht, wer schon in der Wahlwerbung das offene und ehrliche Wort nicht scheut.

Verhältnismäßig leicht kann einer die Rolle des Händeschüttlers und Eröffners einnehmen, kann schweigend Uberparteilichkeit demonstrieren.

Was wir aber heute dringender denn je an der Spitze unserer Republik brauchen, ist ein Anwalt des Staatsinteresses, eine Persönlichkeit, die den Mut hat, dieses Staatsinteresse gegen regionale und gruppenspezifische Egoismen zu verteidigen, einen kritischen Mahner und Hüter der politischen Moral.

An diesen Erwartungen werden die Kandidaten zu messen sein, nur das weist den richtigen Weg für Österreich.

Auf das Profil des Kandidaten kommt es an, nicht auf das Profil des amtierenden Bundespräsidenten auf Wahlplakaten um seine Nachfolge.

Bei allem Respekt: So frei wie das Konterfei ist auch die Assoziation von Bild- und Plakataussage. Eine suggestive Wahlempfehlung ist aber garantiert nicht der richtige Weg für Österreich. Dann schon gleich besser das offene Wort. ..

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung