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Die „weiße Revolution“

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Im Iran sieht man in der gleichzeitig in beiden Hauptstädten amtlich bekanntgegebenen Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Peking und Teheran einen der bedeutendsten außenpolitischen Erfolge Schah Resa Pahlawis seit seiner Thronbesteigung. Teheraner politische Kreise legen denn auch das Hauptgewicht ihrer Kommentare auf die von diesem Schritt zu erwartenden Auswirkungen auf die internationale Entwicklung der mittelöstlichen Szene. Volkschina habe da mit, so argumentiert man in Regierungskreisen, den Rang Irans als wichtigen regionalen Ordnungs- faktor anerkannt. In dieser Auslegung schwingt unverhohlener Stolz mit, über den von Parteichef Mao Tse-tung und Ministerpräsident Tschu En-lai angesitellten Vergleich zwischen der „permanenten Revolution“ im roten Reich der Mitte und der „weißen Revolution“ des Schah- in-schah.

Die Aufnahme normaler zwischenstaatlicher Beziehungen zwischen den beiden Ländern so unterschiedlicher Regieirungsform war durch eine aufsehenerregende Reise der beiden diplomatisch versierten Kaiserschwestern Prinzessin Aschraf und Prinzessin Fatima in die chinesische Hauptstadt angebahnt worden. Obgleich Resa Pahlawi sich dadurch auch von dem direkten kommunistischen Nachbarn im Norden abgrenzen und sich die Funktion seines Reiches als mittelöstliche Vormacht von der zweiten kommunistischen Weltmacht verbriefen lassen wollte, hatte er für seinen Schritt vor allem wohl innenpolitische Gründe. Die von Mao und Tschu mit ungewöhnlicher diplomatischer Höflichkeit hochgelobte „weiße Revolution“ konnte die mittelalterliche Feudalstruktur des Iran bislang noch nicht dn eine moderne Indu- striegiesellscihaft transformieren. Die versprochenen Reformen blieben in den Kinderschuhen stecken oder scheiterten zum Teil am Widerstand der Grundbesitzer und der städtischen Geldnabobs ebenso wie am Mißtrauen der konservativen Bauern. Ausgerechnet im Jahr der 2500-Jahr- Feier des Landes regt sich erneut heftiger Widerstand studentischer und intellektueller Linkskreise. Der Geheimdienst „Savak“ hat alle Mühe, ihn zu unterdrücken, und erst vor kurzem soll es zu einem Aufstandsversuch in den schwer zugänglichen Wäldern südlich des Kaspischen Meeres gekommen sein, bei dessen Niederschlagung es mindestens 30 Todesopfer gab.

Trotz aller Widerstände und Rückschläge kann kaum am ernsthaften Reformwillen des Schah gezweifelt werden. Der Herrscher macht sich jedoch wenig Illusionen über die bestehenden Schwierigkeiten. Während er jedoch glaubt, man könne sie mit viel Geduld abbauen, wollen die linksgerichteten Oppositionellen den Weg in die Zukunft durch eine offene Revolution abkürzen. Die die Politik des Herrschers unterstützenden Kreise wissen, daß nur größtmögliche innere Ruhe einen Erfolg ihrer Reformbestrebungen ermöglichen kann. Sie werfen der Opposition nicht zu Unrecht vor, sie bekämpfe Resa Pahlawi nur deshalb, weil er eine Krone trage. Die von revolutionären Regimen beherrschten vergleichbaren Länder, wie Irak, Ägypten und Algerien, hätten heute geringere Entwicklungsmerkmale aufzuweisen als der Iran, und dort herrsche unvergleichlich schlimmerer Terror als im vergleichsweise liberalen Persien, ln der Tat: Hätte sich der Gründer der Dynastie Pahlawi und Vater des jetzigen Herrschers nioht mit der damals noch modischen Pfauenkrone geschmückt, sein Nachfolger auf dem einfacheren Präsidenitemstuihl könnte heute des Beifalls der internationalen Linken gewiß sein. Das gälte zumal für die orientalische Welt, wo die Absichtserklärung mehr zählt als das Ergebnis.

Diese innenpolitische Situation war es wohl dn erster Linie, die den Schah zu dem Weg nach Peking veranlaßte. „Seht her“, kann er nun seinen linken Opponenten sagen, „was wollt ihr» wenn sogar der von euch als sakrosankter Säulenheiliger angebetete Mao meine Reformpläne als allein seligmachendes Rezept zur Gesundung unseres Landes preist?“

Maos Absichten bei der Einrichtung einer Botschaft in der Hauptstadt des spätfeudalistischen Iran sind vielfältigerer Natur. Für Volkschina ist Teheran ein ausgezeichneter Horchposten an der (von Peking aus giesehenen) Hintertür der Sowjetunion. Der Iran eignet sich außerdem vorzüglich als Beobachtungsstation für die arabische Welt. Wenn Peking die Fehler, die Moskau bei der Behandlung seiner arabischen Klienten machte, vermeiden will, muß es seine Botschaften in den betroffenen Staaten von jeder subversiven Tätigkeit abhalten. Also braucht es einen neutralen Platz, wo die Fäden zusammenlaufen, an denen es seine Interessen im Vorderen Orient aufgehängt hat. Hat es ihn in Teheran gefunden?

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