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Die weißen Sieger

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Wenige Tage ist es her, daß die aufsehenerregende Meldung vom Settlement zwischen Rhodesien und England durch die Weltpresse ging. Mit dem zwischen dem rhodesischen Premier Smith und dem englischen Chefverhandler Sir Doug-las-Home erreichten Verhandlungs-ergebnds scheint sich eine Lösung des sechs Jahre dauernden Konfliktes zwischen Großbritannien und Rhodesien anzubahnen.

Wie kam es zu diesem Konflikt im Jahre 1965? Auf der einen Seite stand Großbritannien, das sich seit Jahren mit viel politischem Geschick aus seiner Herrscherrolle in vielen afrikanischen und überseeischen Kolonien gelöst hatte und mit dieser nicht ganz uneigennützigen Haltung die Kontinuität der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen ehemaligem Mutterland und früheren Kolonien sichern konnte. Kernpunkt und Voraussetzung der neu gewährten Unabhängigkeit und gleichzeitig wichtiges Anliegen der jeweiligen Urbevölkerung war das Weiße und Farbige gleichstellende Mehrheitswahlrecht — die Majority Rule. Ein in der alten Welt als selbstverständlich angesehener Grundsatz der Demokratie mußte bei den eben frei gewordenen Völkern der Dritten Welt naturgemäß ernste Schwierigkeiten und politische Wirren zur Folge haben. Zahlreiche inzwischen Geschichte gewordene Beispiele auf dem afrikanischen Kontinent zeigten in aller Deutlichkeit, daß der Sprung der ehemaligen Kolonialvölker vom Regiertwerden zum Regieren letztlich doch zu übergangslos war. Machtkämpfe, Massengreuel, Diktaturen waren ebenso die Folge wie das Eindringen neuer Weltmächte in das von Großbritannien zurückgelassene politische Vakuum. Massakrierung und Ausweisung der weißen Bevölkerung gingen oft Hand in Hand mit den innenpolitischen Fieberschauern der jungen Staaten.

Dem britischen Mutterland, das als Voraussetzung für die Unabhängigkeit die Majority Rule als unabdingbar verlangte, stand die Kronkolonie Rhodesien gegenüber. In dieser wurde und wird eine Bevölkerung von etwa 5 Millionen Schwarzen durch eine Minorität von etwa 250.000 Weißen, die sich auf eine überlegene bildungsmäßdge und wirtschaftliche Basis stützen können, regiert. Die 15 Parlamentssitze, die von dnsgesamt 65 Sitzen durch schwarze Abgeordnete (Exponenten der ihrer Struktur nach intakten Negerstämme) eingenommen wurden, schienen weder dem Kolonialherrn, noch den in- und ausländischen schwarzafrikanischen Kräften eine angemessene Repräsentation der Bevölkerung dm Parlament. Die weißen Rhodesier, die ähnliche Ereignisse wie in anderen soeben frei gewordenen Ländern vermeiden wollten, weigerten sich England gegenüber, auf die Majority Rule einzugehen. Nachdem zahlreiche Verhandlungen zwischen England und Rhodesien zu keinem Ergebnis geführt hatten und sich das Klima zwischen Mutterland und Kolonie laufend verschlechterte, erklärte Rhodesien am 11. November 1965 überraschend und einseitig, das heißt ohne Zustimmung Englands, seine Unabhängigkeit. Dieser als „Unilateral Declaratdon of Indepen-dence“ (UDI) in die Geschichte des Commonwealth eingegangene politische Paukenschlag veranlaßte Großbritannien, ein Embargo über Rhodesien zu verhängen und wirtschaftliche Sanktionen der Mitgliedsländer der UNO zu veranlassen. Durch diese Maßnahmen hoffte Großbritannien seine rebellierende Kolonie auf dem Umweg der Wirtschaftsisolation in die Knie zu zwingen. Doch er kam ganz anders.

Die plötzliche außenpolitische Isolation führte, wie so oft in Krisen-zeiten, zu einer Konzentration der innenpolitischen Kräfte, die in einer Einheitsregierung unter Jan Smith ihren Ausdruck fand. In den für Rhodesien nun folgenden, zweifelsohne nicht leichten Jahren hatte dieses Land daher den (großen Vorteil einer monolithischen Führung, welche die oft unpopulären Maßnahmen zur Überwindung der Isolation leichter durchführen konnte als eine unter den kritischen Augen einer Opposition agierende Staatsführung.

Blühender Schwarzhandel

In der außenpolitischen Szenerie boten sich dem Blick des soeben unabhängig gewordenen Staates zwei scharf kontrastierende Ländergruppen: jene, die mit Rhodesien weiterhin in politischer und wirtschaftlicher Verbindung standen, darunter vornehmlich Südafrika, Mogambique, Angola, Malawi und nicht zuletzt die Schweiz auf der einen Seite, und die große Zahl der Staaten, die den von der UNO verhängten Sanktionen Folge leisteten, auf der anderen Seite. In dem vornehmlich wirtschaftlichen Vakuum, das sich zwischen diesen beiden Ländergruppen auftrat, etablierten sich sehr schnell geschäftstüchtige Interessengruppen, die eine Art internationalen Schwarzhandels aufzogen, nicht ohne die bei dieser Art von Geschäften anfallenden außerordentlichen Gewinne einzustreichen. Durch diesen Markt war es zahlreichen Ländern möglich, den Handel mit Rhodesien indirekt aufrechtzuerhalten, für letzteres bot dieser Markt die zwar teure, aber lebensnotwendige Möglichkeit, die dringendsten Industriegüter während der Zeit des Embargos zu importieren. Insbesondere die Nachbarländer Südafrika, Mocambique und Malawi liehen der befreundeten Regierung Hilfe und die in der gegebenen Situation so wichtigen Ursprungszeugnisse. Hiefür hatten sie neben anderen Vorteilen die Gewißheit, daß der Herrschaftsbereich des weißen Mannes im südlichen Teil Afrikas nicht abbröckelte.

Militärisch gesehen, bildete und bildet Rhodesien im Verein mit den vorerwähnten Ländern ein militärisches Potential, das derzeit und wohl auch noch auf absehbare Zeit hinaus mit Ruhe den leidenschaftlich geäußerten Protesten der schwarzafrikanischen Länder entgegensehen kann, die nur allzugeme ihre schwarzen Brüder in Zimbabwe — so der vorgesehene Name für ein schwarzes Rhodesien — mit Gewalt „befreien“ würden, wenn sie nur könnten. Gerade in den letzten Tagen wurde in einer schwarzafrikanischen Zeitung wieder einmal mit Bedauern festgestellt, daß die von der Organisation Afrikanischer Staaten (OAS) nach der UDI erwogenen militärischen Schritte gegen Rhodesien wegen der zu schwachen Kräfte und der mangelnden Koordination der übrigen schwarzen Staaten unterlassen werden mußten.

Nicht unterlassen wurde jedoch die Unterstützung der inzwischen auf drei angewachsenen Guerillaorgana-sationen, die vorwiegend von den chinesenfreundlichen Ländern Zam-bia und Tansania aus in Grenzgebieten Rhodesiens operieren — bisher mit wenig Erfolg. Dies wurde auch kürzlich, enttäuscht, von afrikanischen Gazetten bemerkt, die dieser Klage noch die Frage hinzufügten, wie denn der „Hilfe“ von außen ein Erfolg beschieden sein sollte, wenn die schwarzen Brüder in Zimbabwe so gar keine eigene Aktivität zu ihrer Befreiung entwickelten! Eine vielsagende Feststellung.

Wie sah der Effekt der Sanktionen nun für die schwarzen Rhodesier aus. Feststeht, daß durch die beschränkteren Budgetmittel des rhodesischen Staates während der letzten fünf Jahre auch die Erziehungsprogramme und die wirtschaftlichen Entwicklungsprogramme gewisse Einschränkungen erleiden mußten, ebenso, daß durch eine reduzierte Wirtschaftstätigkeit nicht ein so großer Bedarf an bezahlten Arbeitskräften vorhanden war, was in der Praxis ein geringeres Einkommen für die Rhodesier und damit auch für die schwarzen Rhodesier bedeutete. Vielen internationalen Beobachtern wurde erst dm nachhinein klar, was seinerzeit Jan Smith nach dem Scheitern der Verhandlungen in London gemeint hatte, als er sagte, daß die Sanktionen jene am meisten träfen, für deren Nutzen sie eigentlich gedacht seien.

Die Frage, ob die von Großbritannien und der UNO mit den Sanktionen beabsichtigten Wirkungen erreicht wurden, muß daher nach fünfjähriger Dauer mit einem klaren Photo: upi Nein beantwortet werden. Rhodesien hat de facto seine nationale Selbständigkeit errungen und auch behauptet, und das fünfjährige Embargo mit Hilfe seiner Freunde relativ gut überstanden.

Als daher die konservative Regierung Heath ihren Außenminister Sir Douglas-Home nach Rhodesien entsandte, war sie wohl im Grunde zum Nachgeben gegenüber Rhodesien bereit. Die faktische Entwicklung und mehrere vergebliche Verhandlungen seit 1965 dürften Großbritannien klar gemacht haben, daß es materiell auf die Wünsche der rhodesischen Regierung weitgehend eingehen müsse, wobei aber, formal gesehen, so wenig als möglich von den seinerzeit aufgestellten Prinzipien abgegangen werden sollte, die in den folgenden Punkten bestanden: Unbehinderter Fortschritt zum Mehr-heitswahlrecht und entsprechende Verankerung in der Verfassung, Garantien gegen eine spätere nachteilige Änderung dieser Verfassung, sofortige Verbesserungen des politischen Status der afrikanischen Bevölkerung, Annehmbarkeit der vereinbarten Regelung für die gesamte rhodesische Bevölkerung.

Die im Rahmen des Settlements vereinbarten Maßnahmen entsprechen wohl eher den rhodesischen Vorstellungen als jenen, die England noch 1965 hatte. Dementsprechend besteht auch bei den meisten schwarzafrikanischen Staaten der Eindruck des Ausverkaufs der Rechte ihrer schwarzen Brüder in Zimbabwe, was auch im afrikanischen Blätterwald deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Eine Zeitung des diinesenfreundlichen Nachbarn im Norden Rhodesiens, Zambia, resümierte die Meinung vieler, als sie feststellte, daß Großbritannien eine derartige Vereinbarung genausogut bereits 1965 hätte unterzeichnen können. Großbritannien hätte damit vielen Ländern die vollkommen überflüssigen großen Kosten erspart, die sich aus der Durchführung der Wdrtschaftssanktionen ergaben.

Die Vertragsbedingungen, die mit Rhodesien vereinbart wurden, sind noch nicht in Kraft getreten. Zwar hat das englische Unterhaus gegen heftigen Widerstand der Labour-Opposition die von Mr. Home getroffene Vereinbarung angenommen, wodurch der Zustand der Rebellion, in dem sich Rhodesien, von englischem Gesichtspunkt aus gesehen, seit 1965 befand, beendet wurde. Eine weitere Voraussetzung für das Inkrafttreten ist der positive Ausgang des sogenannten Acceptability-Tests. Dieser besteht darin, daß durch eine Kommission, welche aus anerkannten Persönlichkeiten des Commonwealth bestehen wird, festgestellt wenden soll, ob die getroffenen Vereinbarungen für das gesamte rhodesische Volk — sowohl Weiße als auch Schwarze — akzeptabel ist. Man nimmt an, daß dieser Test mehrere Monate in Anspruch nehmen wird. Die weißen Rhodesier sind hinsichtlich des Ausgangs dieses Tests optimistisch.

Anschließend beabsichtigt die englische Regierung, der UNO die Beendigung des Konfliktes und die Einstellung des Embargos anzuzeigen. Offizielle Stellen in Großbritannien verliehen der Meinung Ausdruck, daß sich dann die meisten mit

Rhodesien traditionell Handel treibenden Länder dem britischen Beispiel der Normalisierung der Beziehungen zu Rhodesien anschließen werden.

Welche definitive Haltung die United Nations zu Rhodesien in Zukunft einnehmen werden, ist noch offen. Wenn man den Äußerungen der Länder der Dritten Welt Glauben schenken darf, so werden diese alles daransetzen, um die Sanktionen fortzuführen. Dies würde viele Länder, darunter auch Österreich, in die heikle Lage versetzen, entscheiden zu müssen, ob sie UN-linientreu und damit ohne größeren Handelsverkehr mit Rhodesien bleiben wollen, oder ob sie das Embargo beenden und sich dadurch den möglichen Unwillen der Staaten der Dritten Welt mit eventuellen außenpolitischen und wirtschaftlichen Konsequenzen einhandeln wollen. Nur der Vollständigkeit halber sei die bekannte Tatsache noch erwähnt, daß die Großmächte UdSSR und China in dieser Frage eins mit den farbigen Völkern sind.

Der Standpunkt der Entwicklungsländer ist klar und auch verständlich. Wie sieht nun aber der Großteil der weißen Rhodesier die Situation?

Meist schon in Afrika geboren, oft schon seit drei Generationen in Rhodesien lebend, fühlt sich der Weiße genauso als Afrikaner und Rhode-sier wie sein schwarzer Mitbürger. Von Geburt an sein Heimatland gewöhnt, durch die wirtschaftliche Existenz mit ihm verbunden und meist durch mühevoll erarbeitete Sachwerte an dieses Land gefesselt, wünscht er sich eine Zukunft in seinem Heimatland und glaubt an ein mögliches Zusammenleben von Weißen und Schwarzen. In diesem Sinne bejaht er auch eine Heranführung der schwarzen Bevölkerung an die von ihm als minimal für eine volle Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten erachteten wirtschaftlichen und erziehungsmäßigen Voraussetzungen und ist auch bereit, hiefür Belastungen auf sich zni nehmen. Nicht bereit ist er jedoch — abgeschreckt von verschiedenen Beispielen, in Nachbarländern — durch eine abrupte Übergabe der politischen Macht an eine hiefür nicht entsprechend vorbereitete schwarze Mehrheit rechtmäßigen Besitz und Existenz zu gefährden und ist, wenn nötig, bereit, hierfür sowohl im Land als auch nach außen hin bis aufs Messer zu kämpfen. Es kommt daher auch nicht von ungefähr, daß Rhodesien mit den anderen weißen Ländern im Süden Afrikas die stärkste militärische Machtgruppe des Kontinents darstellt — aber der Rhode-sier glaubt nicht an eine ernste Bedrohung, weder von innen noch von außen.

Zu hoffen bleibt, daß Rhodesien auch in der Stunde des Triumphs und im Bewußtsein seiner Stärke der historischen Entwicklung des „Majoritätsproblems“ rechtzeitig Rechnung zu tragen weiß.

• FURCHE-Korrespondent Robert Dauber kehrte kürzlich von einer ausgedehnten Afrikareise zurück und berichtet in der Folge auch von anderen Krisenherden Schwarzafrikas.

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