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Die Welt an einem Verhandlungstisch

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Zum sechsten Mal versammeln sich Vertreter aus Ost und West, Nord und Süd, um Probleme der Weltwirtschaft zu beraten. Optimisten hoffen, daß die allgemeine Besorgnis über die weltweite Wirtschaftsflaute divergierende Interessen überwindet und die Beteiligten zu gemeinsamer Aktion bewegt.

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Zum sechsten Mal versammeln sich Vertreter aus Ost und West, Nord und Süd, um Probleme der Weltwirtschaft zu beraten. Optimisten hoffen, daß die allgemeine Besorgnis über die weltweite Wirtschaftsflaute divergierende Interessen überwindet und die Beteiligten zu gemeinsamer Aktion bewegt.

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Vom 6. bis zum 30. Juni dieses Jahres findet in der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad die sechste Handels- und Entwicklungskonferenz der V ereinten Nationen (UNCTAD VD statt. UN- CTAD-Konferenzen — sie sind die Vollversammlungen des wichtigsten Organs der UNO für Wirtschaftsfragen (UNCTAD = Uni-

ted Nations Conference on Trade and Development) — kommt seit der ersten Veranstaltung dieser Art im Jahre 1964 große Bedeutung als Forum für die Diskussion zentraler Anliegen der Dritten Welt zu.

Die sechste UNCTAD ist deshalb von außerordentlicher Wichtigkeit, weil sie das einzige größere entwicklungspolitische Ereignis dieses Jahres ist und somit die einzige Gelegenheit bietet, die seit Jahren stockenden Verhandlungen über die Errichtung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung, in der der Dritten Welt wirtschaftliche Gerechtigkeit und Chancengleichheit zuteil wird, wieder aufzunehmen.

Anlaß und Hintergrund der bevorstehenden Konferenz unterscheiden sich von denen vergangener Treffen durch die ungeheure Brisanz und Tragik. Eine Wirtschaftskrise noch nicht absehbaren Ausmaßes hat die reichen und armen Staaten .erfaßt.

Die hervorstechenden Merkmale dieser düsteren Situation sind ein erheblicher Rückgang des Wirtschaftswachstums und eine Zunahme der Arbeitslosigkeit in den industrialisierten Staaten, wachsender Protektionismus zum Schutz der Industrien dieser Länder und ein drastischer Abfall der Preise für Rohstoffe aus der Dritten Welt. Diese haben den niedrigsten Stand seit dreißig Jahren erreicht.

Diese Entwicklung führt zu einem dramatischen Rückgang der Exporteinnahmen der Dritten Welt und zu einem ungeheuren

Ausmaß der Verschuldung dieser Länder in der Höhe von 600 bis 800 Milliarden Dollar.

Durch Einfrieren der staatlichen Entwicklungshilfe und durch die Erschwerung der Bedingungen für eine solche Unterstützung werden die Engpässe ebenso verschärft wie durch die wachsende Abneigung der privaten Banken vor einem weiteren Engagement in diesen Ländern.

Das führt wiederum zu einer Kürzung der Importe der Dritten Welt aus den industrialisierten Staaten, was eine verstärkte Rezession, zunehmende Arbeitslosigkeit und eine Vertiefung der Krise in diesen Staaten zur Folge hat.

Diese wechselseitige Abhängigkeit in der Krise oder — wie es das UNCTAD-Sekretariat ausdrückt — „diese Spirale, die sich nach unten dreht“, hat besonders grausame Auswirkungen in den Ländern der Dritten Welt: Brennende soziale Anliegen, Bekämpfung des Hungers, der Säuglingssterblichkeit, der Massenarmut müssen hintangestellt werden. Die ärmsten Entwicklungsländer werden in diesem Kampf ums Überleben mehr denn je an den Rand gedrängt.

Angesichts dieser Situation wird von Vertretern der Dritten Wtlt das gemeinsame Interesse an Beratungen über Wege aus der Krise herausgestrichen. UNC

TAD VI wird den Charakter einer Weltwirtschaftskonferenz und nicht den einer neuerlichen Etappe im Nord-Süd-Konflikt haben.

Das dringendste Anliegen werden Überlegungen zur neuerlichen Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und von Notstandsmaßnahmen für die Unterstützung der Dritten Welt sein.

Im Mittelpunkt der Tagesordnung werden drei Bereiche stehen, die für Nord und Süd, Ost und West gleichermaßen von Interesse sind: Währungs- und Finanzierungsfragen, Handel mit Waren und Dienstleistungen, Rohstoffe.

Bei dem Tagesordnungspunkt Währung und Finanzierung geht es in erster Linie um ein umfangreiches „Sanierungsprogramm“, um dem Abwärtstrend im Wirtschaftsleben der Dritten Welt Einhalt zu gebieten: Darüber hinaus wird es aber auch für die Teilnehmer notwendig sein, sich mit der längst fälligen Änderung der Machtverhältnisse in den internationalen Währungs- und Finanzierungsorganisationen zu befassen.

Im Bereich des Handels plädiert die Dritte Welt für den Abbau von Handelsschranken und für Vorzugszölle für Waren aus der Dritten Welt, für die Reform des bestehenden Systems des internationalen Handels und für positive Strukturmaßnahmen im Interesse der Dritten Welt.

Bei den Rohstoffen sind vor allem Preisstützungsmaßnahmen und Instrumente der Stabilisierung der Einnahmen aus der Rohstoffausfuhr unumgänglich.

Diese drei komplexen Bereiche werden im Vordergrund der Verhandlungen stehen. Die westlichen Industrieländer haben zwar — mit Ausnahme der USA — positiv vermerkt, daß die Vorschläge der Dritten Welt eine akzeptable Verhandlungsgrundlage darstellen und auch den ausgereiften Charakter der Arbeitspapiere der UNCTAD betont. Noch ist aber ihre Haltung im einzelnen nicht vorauszusehen.

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