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Die Welt gestalten durch Arbeit, Technik, Politik

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Seit dem ersten österreichischen Katholikentag waren diese stets Heerschauen dessen, was dereinst „politischer Katholizismus" in Österreich war, und auch, nachdem dieser abgedankt hatte, Plattform für Leitaussagen zu gesellschaftspolitischen Grundaussagen. Wird auch der österreichische Katholikentag 1983 solcher Erwartung genügen?

„Ja", sagen alle, die man fragt. Aber wie, das weiß niemand noch genau. Daß es kaum apodiktische Gebote sein werden und können, die da irgendein Bischof oder Präsident verkünden wird, steht freilich bereits fest. Denn in tagespolitischen Fragen können Katholiken bei gleicher Gewissenhaftigkeit zu unterschiedlichen Lösungsvorschlägen kommen.

Diese Aussagen des Konzils („Gaudium et spes" Nr. 43) blieb unbestritten auch bei der Studientagung „Christ und Weltgestaltung", die am 19. und 20. November über 300 Österreicher aus allen Diözesen (darunter etwa 70 Frauen) in Eisenstadt vereinte.

P. Johannes Schasching SJ, Dekan der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, machte diese Aussage zu einer von acht Leitsätzen, die er dem von ihm stark angetanen Publikum servierte. Die anderen sieben:

Wegen der Inhomogenität der Gesellschaft ist auch von Christen eine „gesamtgesellschaftliche Sinnformel" mit konkreten Aktionsfolgerungen nicht mehr lief erbar. Unmittelbar zuständig für Weltgestaltung sind die Laien; wenn Papst und Bischöfe mahnen, Sorge äußern, Kritik anmelden, tun sie dies, oft nicht in Wahrnehmung ihres Lehr-, sondern vielmehr des Hirtenamtes.

Weltgestaltung durch Christen kann auf verschiedenen Ebenen und nach verschiedenen Methoden betrieben werden — eigene Organisationen bleiben dennoch unverzichtbar. Die Verteidigung der Familie bleibt zentrales Aktionsgebiet. Ein immer wichtiger werdendes ist der gesellschaftliche Mittelbau: die Gemeinde-, Pfarr- und Betriebsebene, Schule und Freizeitorganisationen, Interessenvertretungen und Verbände.

Aber auch nach Schasching dürfen die Christen deswegen nicht aus den „Großstrukturen des Staates" ausziehen. Und immer mehr rücken gesellschaftspolitische „Großziele" weltweit ins moralische Bewußtsein: Frieden, Abrüstung, Gerechtigkeit für Frauen, Entwicklungspolitik.

Mit diesem Diskussionsmaterial und einem von einem Vorbereitungsausschuß unter Senatspräsident Werner Hinterauer erstellten Diskussionspapier (vgl. FURCHE Nr. 46) zogen sich die Teilnehmer in fünf Arbeitskreise zurück: Mensch und Welt, Familie, Arbeit, Freizeit, Politik.

Dank vorbildlicher Disziplin war innerhalb weniger Stunden eine erstaunliche Vielzahl höchst unterschiedlicher Wortmeldungen möglich, auch wenn der Wunsch nach Kleingruppen immer wieder vorgetragen wurde.

Dem Plenum wurde eine breite Palette von Fragen und Anregungen vorgelegt, die in die weitere Katholikentagsarbeit einfließen werden. Klare Konturen eines denkbaren oder auch nur gewünschten Aktionsprogramms wurden bisher kaum erkennbar, Tendenzen freilich schon.

Allgemein wurde nicht Politik-, wohl aber Parteienverdrossenheit konstatiert. Ein Gutteil davon ist erklärbar. Die Vereinnah-mungssucht der Parteien wird immer heftiger abgelehnt, Parteibuchwirtschaft ist verhaßt: Hier könnten beherzte Reformer viele Punkte sammeln!

Nicht selten artikulierten vor allem jüngere Teilnehmer aber auch Forderungen, die auf Unkenntnis von Parteienrealitäten schließen ließen. Warum aber können die Parteien selbst diese Barriere immer weniger überspringen?

Daß viele Katholiken nicht genügend vorbereitet ins öffentliche Leben treten, klang häufig an. Ein konkreter Vorschlag lautete, daß eines der katholischen Bildungshäuser für ganz Österreich speziell die gesellschaftspolitische Aus- und Weiterbildung übernehmen sollte.

Viele beklagten, daß in Familie und Schule, vor allem aber auch in der Kirche Demokratie (d. h. menschenwürdige* Mitbestimmung in Fragen, wo dies möglich ist) zuwenig oder überhaupt nicht vorgelebt werde.

Einige der anwesenden Politiker — Abgeordnete der Bundes-,Landes- und Gemeindeebene — bedauerten die Widersprüchlichkeit mancher Forderungen. Heinrich Neisser (ÖVP) verwies auf den „gigantischen Startvorteil" der Christen in einer Zeit allgemeiner Wertsuche und verlangte von diesen Beispielhaftigkeit auch im Bemühen um einen besseren Stil der politischen Auseinandersetzung.

Der sozialistische Politologe Univ.- Prof. Norbert Leser warnte vor der Gefährdung der Demokratie durch exzessive Basisdemokratisierung ebenso wie durch den Ruf nach neoautoritären Führungsstrukturen.

Konkrete Sachfragen kamen in den Diskussionen etwas zu kurz, auch die Themengebiete Technik, Alternativbewegungen, Dritte Welt, Wissenschaft. Wiederholte Wortmeldungen gab es allerdings zu Stichworten wie Arbeitslosigkeit und Minderheiten (Bauern, Gastarbeiter, Behinderte, Strafentlassene).

Am schwierigsten wird es sein, für die Weiterarbeit Aussagen in Richtung Hoffnung zu formulieren, die der Katholikentag laut Schasching Gläubigen ebenso wie „Fernstehenden" machen soll. Di-özesanbischof Stefan Laszlö, der der Tagung ein guter Hausvater war, signalisierte Christenhoffnung bei der Ansprache im Schlußgottesdienst mit dem Bild Jesu vor Pilatus: „Dem Schein nach unterlegen und doch ein Sieger."

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