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Die Welt vor neuen Machtverhältnissen

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Die Welt macht eine Revolution durch. Alle ernsthaften Analytiker dieser Entwicklung sind dabei zu der Überzeugung gelangt, daß die bisherige Dominanz der beiden Supermächte USA und UdSSR zu Ende geht. Es wird statt dessen, in den neunziger Jahren und danach, eine Vielf alt von Kräften und Mächten geben, wobei die Ökonomie eine so dominierende Rolle einnehmen wird wie das bisher beim Militär der Fall war.

Damit wird das Militär keineswegs überflüssig - absolut nicht. Und die USA sind, wie in der Vergangenheit, aufgerufen, eine entscheidende Rolle zu spielen, weltweit - doch auch dies ist übereinstimmende Ansicht der Analytiker in Amerika: Ein globaler Kriegrückt noch mehr ins Abseits der Wahrscheinlichkeit, weltweiter Friede und weltweites Wohlergehen greifen, vielleicht nur langsam, um sich.

“Heil“ allerdings ist diese sich abzeichnende Welt nicht. Denn es drohen Gefahren. Sie kommen allerdings mehr von Ländern der sogenannten Dritten Welt als von den Supermächten.

Die andere Frage, die ungeklärt bleibt: Gibt es eine wirklich fundamentale Änderung sowjetischer Intentionen? Wird Michail Gorbatschow mit seinen Ideen überleben, werden seine Ideen überdauern?

Es ist nicht nur das angesehene “Wall Street Journal“, das sich dieser Thematik immer wieder widmet und entsprechende Fragen stellt. An amerikanischen Universitäten und Instituten wird diese Problematik immer ernsthafter und intensiver diskutiert. Dabei sind sich die Experten einig in der Einschätzung, daß wirtschaftliche Macht in der Zukunft ausschlaggebend sein kann - und das heißt auch, daß alles unübersichtlicher werden kann, weniger vorhersehbar

Das “Wall Street Journal“ greift zu einer Art Parabel-Lösung, um die Situation zu umschreiben - anhand eines maritimen Szenarios:

“Solange es nur zwei Supermächte gab, zwei großen Schlachtschiffen ähnlich, die sich gegenseitig bewachten, waren Konfrontationen oder Zusammenstöße einfacher als in Zukunft zu vermeiden. Jetzt wird die globale See mit Schiffen der verschiedensten Größen und Absich-

Bush: Stärke ten enger, und diese Schiffe haben Kapitäne unterschiedlichster Ausbildung, womit Kollisionen wahrscheinlicher werden.

Unter den Schiffen der Zukunft segelt die Europäische Gemeinschaft, ohne ein einheitliches Kommando an Bord zu haben, da gibt es ferner einen japanischen Zerstörer, der mit seinen ökonomischen Torpedos andere Schiffe herausfordert. Da existiert auch eine noch primitive chinesische Dschunke, an Bord eine Milliarde immer unzufriedener und aufrührerischer werdende Passagiere - gleichzeitig wird das sowjetische Schlachtschiff zum Problem, weil es wie ein Havarist erscheint.

Und:Inmitten dieser größeren Schiffe gibt es eine chaotische Kollektion von kleineren Schiffen, die beispielsweise gefährliche chemische Waffensysteme ihr eigen nennen, die angeführt werden von einer Sammlung von Despoten und Verrückten - und dann kommen ungezählte afrikanische und lateinamerikanische Boote hinzu, an Bord Flüchtlinge vonUnterdrückung und Mismanagement, die von den Luxus-Linern gerettet werden wollen. “

Wirklich seetüchtig sind in diesem Szenario, das kürzlich auch in einer Runde an der New Yorker Columbia-Universität diskutiert wurde, nur drei der großen Schiffe - die USA, die EG und Japan. Sie müssen, so ergab die New Yorker Diskussions runde von Ökonomen,

Militärs und Wirts chaftstreibenden, eine Art Führung übernehmen, um ein größeres Chaos auf dem “Welt- See“ zu vermeiden - doch da viele der Experten Amerikas daran zweifeln, daß die EG und Japan zu Führern avancieren werden, bleibt diese Aufgabe - wie bisher militärisch begründet - auch wieder bei den USA, diesmal allerdings eher ökonomisch zu verstehen. Doch sind die USA dazu in der Lage - und auch willens?

Die US-Elite,so formuliert das “Wall Street Journal’’^ scheint von dieser Führungsrolle weniger überzeugt und angetan als die US-Be- völkerung, die das alles weitaus optimistischer sieht und beurteilt. Denn “Amerikas Achillesferse“, so das Blatt, “ist seine entmutigte politische Führung, die eher Amerikas Niedergang beredet, statt Maßnahmen zu ergeifen, das zu verhindern“.

Es gibt Stimmen, die dem widersprechen - aber sie stellen, wie der Bürgermeister von Stroudsberg,’ David Miller, eine Minderheit dar Dieser Intellektuelle £fus Pennsyl- vanien sagte: “Wir dürfen Optimisten sein - wenn wir etwas im Telefonbuch nicht finden, dann erfinden wir es eben. So war es, so wird es sein.“

Ob diese Art Hurra-Patriotismus hilft, bleibt abzuwarten. Sicher aber ist, daß die globalen Konstellationen, wie sie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vorherrschten, in Bewegung gekommen sind.

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