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Die Welt will Karadzic-Frieden

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(fmg)-Auch wenn es nur eine Wiederholung aus einem früheren FURCHE-Kommentar ist, aber im bosnischen Fall drängt sich eine alte Einschätzung förmlich auf: Containment/Eindämmung als neu-alte Zauberformel künftiger Weltpolitik (FURCHE 3/1993) hat sich durchgesetzt. Für Frieden, Menschenrechte und humanitäre Ziele - ohne ureigenste politisch-wirtschaftliche Interessen - ist niemand bereit, sich, seine Leute, finanzielle Mittel, die über Spenden hinausgehen, einzusetzen.

Da wurde fast ein Drittel eines Volkes aus seiner Heimat vertrieben, ein weiteres Drittel irrt im Land herum, die Toten zählt keiner mehr - und die sogenannte Weltgemeinschaft kann den Opfern nur den Friedhofsfrieden anbieten; und ein Radovan Karadzic darf unwidersprochen vor der Weltöffentlichkeit noch einmal das Schicksal der von Moslems ach so bedrängten Ser-ben(!) in Bosnien beweinen und den unterlegenen Alija Izetbegovic zum Frieden ermahnen.

Den Karadzic-Frieden wünscht

sich jetzt offensichtlich die ganze Welt. Nein, nicht die ganze Welt, es gibt ja noch ein paar amerikanische Senatoren, da und dort „Schreiberlinge", die sich aufzubäumen versuchen, nicht wahrhaben wollen, daß wir von globaler Solidarität Abschied nehmen müssen.

In Kroatien hält sich hartnäckig die Überzeugung - und Franziskanerpater Simonovic (siehe Seite 1) hat es erneut bestätigt -, daß die serbischen Tschetniks ihren Aggressionskrieg und ihre Säuberungsaktionen auch nach Einkehr der Friedhofsruhe in Bosnien fortsetzen werden. Aber was soll jetzt europäischer Einfluß, amerikanische Warnung gegenüber den Serben noch bewirken, nachdem Franzosen, Briten, Amerikaner und Russen - nach 14monatigem nur scheinbarem Ablehnungskurs - ständig auf Bestätigung des von den Serben . konsequent eingeschlagenen Kurses gespielt haben?

Wir haben es mit einer hochgradigen Schizophrenie zu tun. Die serbischen Eroberungen und die von ihnen mit Blut geschriebenen

Tatsachen werden als Voraussetzung zum Frieden zur Kenntnis genommen; gleichzeitig wird darauf verwiesen, daß man nicht bereit sei, dies auch moralisch zu akzeptieren.

Mit dem Aufgeben Bosnien-Herzegowinas - des Testfalls für die vielbeschworene globale Sicherheitspartnerschaft (FURCHE 4 und 5/1993), für ein neues Wirken der Vereinten Nationen - haben viele Ideen einen Knacks bekommen, an Glaubwürdigkeit verloren; präziser: es sind nicht die Ideen, sondern eher die Institutionen und politischen Repräsentanten, die sich auf sie berufen, denen man nicht mehr glauben kann.

Aber wie steht's um uns selbst? Nehmen wir nur Friedensbewegung und Militär in den westlichen Staaten: Auf der einen Seite blieb der Aufschrei, auf der anderen die während des Kalten Krieges vielgerühmte Festigkeit aus. Fazit: Rundum fehlt der politische Wille zut Durchsetzung von Prinzipien, die verbal als Grundlage internationalen Zusammenlebens hochgehalten werden.

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