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Die Wirtschaft trägt bei zum Gemeinwohl der Gesellschaft

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Die Wirtschaft hat ihre Eigengesetzlichkeiten. Ihr Ziel ist die Bedürfnisbefriedigung des Menschen und damit ein Beitrag zum Gemeinwohl der Gesellschaft Sowie der Mensch als Ziel ins Gesichtsfeld kommt, wird auch die Frage nach dem Sittlichen aufgeworfen; die Ethik, im engeren Sinn die Wirtschaftsethik, kommt zum Zuge. Erkennt man das an, so gibt es kaum sittlich unverbindliche Entscheidungen und Handlungen in der Wirtschaft.

Sittliche Entscheidungen sind aber nur dann möglich, wenn es gelingt, überzeitliche Maximen in Einklang zu bringen mit den ständig wechselnden, zeitbedingten Verhältnissen. Alles, was von Menschen entschieden, geleistet und getan wird, läuft weder mit der Zwangsläufigkeit eines automatisierten Prozesses noc:h mit dem instinkthaften, zweckgerichteten Tun des Tieres ab, sondern ist zu jeder Zeit vom Menschen zu steuern, abzufangen und, wenn nötig, zu ändern. Ethik, Moral und Gewissen sind hiefür die Leitbilder und Grenzen.

Die Kirche betrachtet sich als die Künderin dieser zeitlosen Normen, die die Menschen sowohl als Person wie als Gemeinschaft leiten und lenken sollen. Heute brauchten wir jedoch eine innerlich angenommene und wirklich gelebte Theologie der Schöpfung, bei der nicht nur das über alles Menschliche und Irdische hinausgreifende Wirken Gottes gesehen werden muß, sondern auch die Zweitursachen, die in die Schöpfung hineingelegt sind, ernstgenommen werden. Das Wirken des Menschen darf nicht in Rivalität gesehen werden mit dem Wirken Gottes, sondern als Vollzug eines Auftrages, den Gott dem Menschen gegeben hat, wie es in der Pasto- ralkonstitution über „Die Kirche in der Welt von heute” heißt Damit ver bindet sich ein gesteigertes Gespür für die Eigengesetzlichkeit wobei nach manchen Irrwegen der Theologie der Vergangenheit eine größere Behutsamkeit gefordert ist bei einer Feststellung von Widersprüchen zwischen Entdeckungen und Einsichten der Wissenschaft und dem Glauben.

Dazu soll auch ein Wort über „Wirtschaftsmoral” gesagt werden: Hier sind besondere Gefahren gegeben. Zunächst einmal besteht eine echte Gefahr, daß Unternehmer ihre sittlich-religiöse Verantwortung auf eine „allgemeine gute Meinung” einschränken. Eine echte Führungskraft in der Wirtschaft muß sich um Akribie bemühen, um Exaktheit in jeder Hinsicht, um Einstellung zum Teamwork, um Vermenschlichung des Arbeitsprozesses.

Daß natürlich in der Wirtschaft der Wettbewerb und damit auch die Konkurrenz echte sittliche Aufgaben stellt, ist eine andere Frage. Es kann aber sein, daß in diesen Bereich das Licht des Glaubens überhaupt nicht mehr fällt. Dann besteht für alle eine ernste Gefahr, daß mit der Gründlichkeit im unersetzlichen Spezialwissen eine Unsicherheit in grundlegenden menschlichen und ethischen Fragen zusammengeht. Wenn dies nicht mehr ins Bewiißtsein tritt, kann eine ernste Minderung des menschlichen und christlichen Lebens folgen.

Grundlegend ist für einen christlichen Unternehmer, um diese Aufgaben der Berufs- und Wirtschaftsmoral meistern zu können, eine umfassende, gelebte „Frömmigkeit” (Fromm sein heißt im alten deutschen Sprachgebrauch: taugen, tüchtig sein, im Auftrag Gottes). Als zweites ist das Studium der kirchlichen Soziallehre, wie sie sich ständig weiterentwickelt, unerläßlich. Das Konzil hat dazu eine Fülle zeitgemäßer Aussagen gemacht. Gerade die Einsicht in die geschichtlichen Entwicklungslinien christlicher

Sozialprinzipien und päpstlicher En- zykliken-Aussagen geben eine wachsende Sicherheit oder zumindest den rechten Frageansatz in den Detailfragen.

Für diese Detailfragen aber ist die ständige Klärung des Gewissens im Konkreten unerläßlich. Welche Hilfe kann die Seelsorge für die berufliche und wirtschaftliche Gewissensentscheidung geben? Viele Seelsorger sind dazu nicht in der Lage. Sie sind überfordert. Es ist sicherlich Aufgabe einer zeitgemäßen Pastoral, aber auch christlicher Unternehmerverbände, Seelsorger hiefür zu schulen und anzubieten. Schließlich muß der Unternehmer selbst bestrebt sein, zusammen mit kundigen Theologen, ausgehend von der Mitte der Offenbarung, hin zu den verschiedenen Ausfolgerungen in die Zeit hinein, sich den Grundsätzen zu stellen und sich gemeinsam um Lösungen zu bemühen, die im einzelnen realisierbar sind.

Dabei wird es manchmal notwendig sein, nach bester Gewissensprüfung auch einmal eine Entscheidung zu fallen, die objektiv ungenügend, ja - genaugenommen - falsch ist. Solche „falschen” Entscheidungen, die aus einem ernsten Ringen wachsen, können eine Stufe zum Besseren hin sein.

Die Kirche interessiert sich für die Wirtschaft, insofern die Wirtschaft von Menschen gestaltet wird und die Kirche sich - im Auftrag Christi - für jeden Menschen verantwortlich weiß. Aus diesem Grund sollte man sehr genau unterscheiden: Einerseits den Einzelmenschen, dem gegenüber die Kirche einen unbestrittenen, klaren Auftrag hat - auf der anderen Seite die Institutionen, vor allem die Gruppen im politischen und wirtschaftlichen Bereich, denen zu helfen leicht zu Kollisionen führt, weil sich die Kirche damit gleichzeitig auf ein Gebiet begibt, das in erster Linie ein Betätigungsfeld der Gesellschaftsrichtungen ist. Sicherlich gibt es auch gerade hier Fakten, auf Grund deren sich die Kirche verpflichtet fiihlt, mahnend ihre Stimme zu erheben.

Zur Meinungsbildung, auf Grund derer die Kirche in die Lage versetzt wird, eine fundierte Stellungnahme zu sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen abzugeben, sind Gespräche zwischen den verschiedenen Instan- zen und Organen der Kirche sowie den legitimierten Vertretern der Arbeit- nehmer- und Unternehmer-Interessen notwendig. Die Kirche betrachtet es als ihre Aufgabe, die Grundprinzipien der christlichen Soziallehre zu ver- künden und die Grundsätze fur menschliches Handeln verpflichtend festzulegen. Ihre Aufgabe ist es, dem Menschen aufzuzeigen, „was ihm zum Heil dient”, zeitlich und ewig.

Begibt sie sich auf das Gebiet prakti- scher Lösungen, so kann sie Wege auf- zeigen, die nach ihrer Auffassung gangbar sind und die sie den Sachver- ständigen des weltlichen Bereiches als Diskussionsbeitrag anbietet. Insofern hat die christliche Soziallehre und So- zialethik enorme Bedeutung fiir das Zusammenleben in der Gemeinschaft Die Kirche paßt sich nur zögernd und langsam der Entwicklung an. Die Lö- sungen, die gesucht werden, sind aber zukunftsorientiert. Hieraus entstehen oft Spannungen und Mißverständnis- se. Das Problem der sozialen Gerech- tigkeit ist in Zukunft anders zu sehen als im 19. Jahrhundert.

Im Raume der Wirtschaft kann die Kirche nur urteilen, wenn ihre Vertre- ter fiber die nötige, nicht nur theoreti- sche, Sachkenntnis verfügen. Datum dürfen die Theologen nicht vergessen - sie sind die Berater der Bischöfe daß die Anwendung des Gelernten, je nach Zeitumständen und Verhältnis- sen, außerordentlich unterschiedlich sein kann, und hier die in den Dingen stehenden christlichen Unternehmer diejenigen sind, die bessere Einsicht in die Zusammenhänge haben.

Hier muß und will auch die Kirche vom Unternehmer lernen, wenn sie seine Welt zu beurteilen hat. Der Unternehmer muß aber bereit sein, sein Wissen und seine Erfahrung der Kirche zur Verfügung zu stellen. Im kirch- lichen Raum kennt man den Unternehmer und seine Tätigkeit ebenso- wenig oder so verzerrt, wie das Unter- nehmerbild in der öffentlichkeit schlechthin verzerrt ist.

Die Unternehmer haben das Recht, mit ihrer Erfahrung und ihrem Rat gehört und beachtet zu werden; sie stehen mitten im Geschehen und sind nicht nur die größeren Sachkenner, sondern auch fur die Gestaltung ver- antwortlich und haftbar. Die Unternehmer haben ein Recht, von der Kirche anerkannt und unterstützt zu werden in ihrem Bemühen um eine ge- rechte, ausgewogene Sozial- und Be- triebsordnung.

Es muß datum gemeinsame Aufgabe von Kirche und Unternehmern sein, laufend im Gespräch miteinan- der zu bleiben, da die gesellschaftliche Entwicklung unabhlässig neue Fragen aufwirft.

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