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Die Zeit ist reif für einen neuen Aufbruch in den Gemeinden

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Diozesaribisckof Johann Weber, Graz, sprach am 20. Mai vor der Frühjahrstagung der Katholischen Aktion der Diözese Graz-Seckau über die Bedeutung der Katholischen Aktion für die lebendige Pfarrgemeinde. Er betonte u. a.:

, Die Zeit ist reif geworden für einen neuen Aufbruch der Katholischen Aktion. Wie lebt diese Kirche in Wirklichkeit? Bei aller Sünde, bei allem Mißbrauch, bei aller Halbheit, aller Kon-turlosigkeit lebt die Kirche als eine festliche, stille, befreiende Kirche. Diese Kirche lebt vom Geist Gottes, und wenn wir diesen Geist in dieser Stunde leidenschaftlich suchen, demütig annehmen, wenn wir geduldig mit ihm handeln, dann wird es Frucht bringen.

Wir müssen frei werden von einem Verwaltungschristentum, von der Haltung: „Wir haben etwas, was einmal geschehen ist, halbwegs gut zu bewahren und zu verwalten.“ Jetzt wirkt der Geist Gottes; im Geist Gottes ist Jesus bei uns. Sein Geist ist für mich erkennbar, wenn etwas über das erwartete Maß hinaus geschieht in Richtung auf Jesus: wenn eine Treue gehalten wird, wo Leute nur noch den Kopf schütteln; wo einer nicht Rache nimmt, obwohl alle sagen: hier mußt du dich doch wehren und zurückschlagen! Wenn Barmherzigkeit geübt wird, auch wenn jeder fragt: was hast du davon, du wirst doch ausgenützt!

Hier meine ich einfach das, was die acht Seligkeiten ausdrücken: Es ist unvernünftig, arm zu sein, barmherzig zu sein, nach Gerechtigkeit zu hungern. Wenn also etwas über das vernünftige Maß hinaus geht, wenn das Böse durch das Gute überwunden wird, dann ist dieser Geist Jesu unter uns.

Zugleich muß dies aber etwas sein, das die Gemeinschaft fördert. Dieser anwesende Gott muß , angesprochen und ausgesprochen werden. Wird bei uns wieder gebetet? Es geht hier nicht um beliebige Verhaltenswesen, wie wenn Sie irgendeinem Klub beitreten. Ob bei uns wieder gebetet wird, ist eine Frage der christlichen Existenz, eine Existenzfrage der Katholischen Aktion.

Eine unbedingt notwendige Form dieser kleinen Gemeinschaften ist jene, wie sie unter dem Titel der „Aktivistenrunde“ bestanden hat oder noch besteht. Ohne diese kleinen Gemeinschaften ist eine Bewegung der Katholischen Aktion nicht denkbar. Es geht um ein zweifaches Gespräch - mit der Wirklichkeit, dem Leben - und mit dem Evangelium. Dafür kann es keinen Ersatz geben. Es genügt nicht, sich mit einer statistischen Abhandlung

über die Situation des Katholizismus in Mitteleuropa unter besonderer Berücksichtigung der Steiermark zu befassen. Das Gespräch mit dem Evangelium muß das erste sein, es ist unersetzbar. Irgendwelche Theorien psychologischer, soziologischer, politischer Art kommen erst sekundär.

Die zweite Gemeinschaft ist die der Kirche als gesamte. Es geht um die geistige Integration. Eine Kirche, die wir teilen, macht uns selber taub: Das ganze Gerede um die Unterscheidung zwischen „Amtskirche“ und dieser oder jener Kirche mag für drei Minuten publikumswirksam sein, in Wirklichkeit macht es uns taub. Es geht um die ganze Kirche.

Helfen Sie mit, daß die Isolation überwunden wird. Begeben Sie sich nicht selber in Isolation. Halten wir uns nicht damit auf, andere zu beschuldigen, daß sie dumm oder verständnislos seien. Fortschritt geschieht nur durch Buße. Wenn Sie spüren, Sie befinden sich in Isolation, Sie sind nur für sich selbst da, Sie riegeln sich ab - dann könnte auch bei Ihnen etwas nicht stimmen!

Mit Statistiken - etwa über den Priestermangel - kann man alles beweisen, aber es wäre verhängnisvoll, mit Statistiken Panik hervorzurufen. Es gibt eine Fülle von Berufungen, denn Gott redet Menschen an. Die Zeit wird wieder reif, daß diese Berufungen, die schon bei der Taufe geschehen, weiterwirken. Berufungen geschehen auch bei der Firmung. Gerade in einer Zeit des oft lähmenden Priestermangels wird aber auch die ganze Kraft der Priesterweihe wieder neu freigelegt, die Kraft dieser Vaterschaft im Geistlichen, die Kraft, Menschen aufzuwek-ken, sie zu trösten, sie fähig zu machen, ihre Berufung zu leben.

Wenn wir Gemeinschaft im Namen Christi wollen, wird der Geist Gottes vermehrt. Deshalb wird Katholische Aktion nicht ein Einzelunternehmen sein. Ob das jetzt „Bewegung“ heißt -es wird immer Gemeinschaft sein müssen. Die Urzelle aller Gemeinschaften ist die Feier der Eucharistie. Tut alles, damit unsere Eucharistiefeier gesund ist. Ich merke schon so viel Verkalkung, so viel Mühseligkeit, so viel Lieblosigkeit bei der Feier der Messe. Liturgie lebt von der ganzen Pfarrgemeinde. Alle Gemeinschaften sind unterernährt, wenn die Urgemeinschaft der Liturgie krank ist.

Die Gemeinschaft der Pfarre braucht einen Pfarrgemeinderat. Er ist die Entsprechung für den Hirtendienst. Und sie braucht eine Katholische Aktion, die aus ihrem freien Verhältnis, und doch zugeordnet zum Hirtenamt, eine Dynamik des Geistes, des Suchens, des Probierens, des Aposto-lates immer neu zeitigen kann und

muß. Und es gibt die freien Gemeinschaften - Cursillo, Legio Mariae -, es gibt die Begegnungen, einen Dekanatstag, eine Dekanatswallfahrt.

Christen suchen anders zu leben. Um dieses erkennbare Beispiel geht es: ich bin Christus zugeordnet. Ebenso wie ein junger Mensch plötzlich erkennen läßt, daß er einen andern liebt - auf einmal ändert er sich, seine Kleidung, sein Gehaben, seine Sprechweise. Er zeigt, daß er den andern liebt.

Die Zeit der Theorien über das Verhältnis zwischen Katholischer Aktion und Pfarrgemeinderat klingt langsam aus. Man hat viele Modelle entworfen, engagiert geredet. Wenn die KA in den Gemeinden mit ihren Vorhaben und Programmen die Uberzeugung weckt; das hilft weiter, dann wird sie wachsen. Die KA muß sich in den Pfarrgemeinden verständlich machen, sie muß aber auch hören und zurücknehmen können. Im Verhältnis zwischen KA und Pfarrgemeinderäten geht es nicht um eine Kompetenzverteilung, sondern darum, daß sich beide Partner brauchen. Vielleicht ist für die Katholische Aktion eine Art Kopernikanischer Wende hin zur Basis nötig.

Es gibt ein Volk Gottes mit verschiedenen Berufungen, die verschiedene Dienste zur Folge haben. Alte überwundene Trennungen zwischen Priester und „Laie“ sollen nicht zementiert werden. Wichtiger als über „Laie“ nachzudenken, ist es heute, über „Apostolat“ nachzudenken.

Einst stand die Sorge im Vordergrund, Seelen zu retten. Heute müssen wir neu nach unserer Sendung nach außen, in die Gesellschaft hinein, fragen. Haben wir ein Kurzprogramm für die nächste Zeit?

• In jeder Pfarre soll Katholische Aktion in einer angepaßten Form bestehen oder ins Leben gerufen werden.

• Zwei Formen sind unverzichtbar -das was wir unter „Aktivistenrunde“ verstehen, aber nicht so nennen müssen, und das „Sich Versammeln“, ob in Form eines Dekanatstags, eines Männertags, eines Jungschartreffens.

• Es braucht eine Wechselbeziehung zwischen KA und Pfarre, KA-Zentral-stellen und Bischof. Wenn wir nur für die Pfarre etwas tun, werden wir scheitern. Wir hören aufeinander, wir setzen uns nicht hinweg über einander, sondern nehmen uns gegenseitig ernst. Die Zentrale muß auf die Basis hören und umgekehrt.

Wir müssen stets versuchen, die Menschen und die Politiker unseres Landes zur Nachdenklichkeit zu führen, Protest in Verantwortung zu äußern und Phantasie aus christlichem Geist zu entwickeln. Wie leben wir neue Modelle? Wie gestalten wir unser Zusammenleben?

Wenn es uns gelingt, in den kommenden drei Jahren (bis zum Fest der Katholiken 1981) einen Entdeckungsvorgang in der ganzen Diözese zu erwecken, für die Analyse „Wie leben wir wirklich?“ - dann ist Großartiges geschehen. Wir sollten uns in diesen drei Jahren inne werden, daß es Fülle gibt: Berufungen, Gemeinschaft, Leben in der Freundschaft mit Christus. Das sind die Mauern unseres Hauses! Wenn das ganze Land entdeckt wird, dann können wir das Haus vollenden in einem Fest.

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