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DIE ZUKUNFT DES ORDENSLEBENS

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Die IX. ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode wird im Herbst 1994 zusammentreten unter dem Thema: „De vita consacrata deque eius munere in Ecclesia et in mundo” (Das gottgeweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt). Vielfältige Umfragen und Überlegungen mahnten die Dringlichkeit dieser von Papst Johannes Paul II. bestätigten Thematik an.

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Die IX. ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode wird im Herbst 1994 zusammentreten unter dem Thema: „De vita consacrata deque eius munere in Ecclesia et in mundo” (Das gottgeweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt). Vielfältige Umfragen und Überlegungen mahnten die Dringlichkeit dieser von Papst Johannes Paul II. bestätigten Thematik an.

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Der Rat des Generalsekretariats der Synode hat zur vorbereitenden Diskussion in der Gesamtkirche „Linea-, menta” vorgelegt. Sie möchten nach dem Generalsekretär, Erzbischof lan P. Schotte CICM, das Thema „vollständig” darlegen, „unter Hinweis auf den genauen Inhalt und die notwendig gegebenen Grenzen”. Zugleich wird betont, daß dies keine „Vorwegnahme der möglichen Entschließungen der Synode” und auch kein „erschöpfender Traktat über die Problematik des gottgeweihten Lebens” sein soll.

Der Stoff der 47 Paragraphen i st um drei Koordinaten gruppiert:

1. „Natur und Eigenart des gottgeweihten Lebens.”

2. „Das gottgeweihte Leben in Kirche und Welt von heute.” Hier finden sich Analysen der augenblicklichen Lage, der Probleme, Schwierigkeiten, Neuansätze und so weiter.

3. „Sendung des gottgeweihten . Lebens”, mit den Schwerpunkten: Bezug zur Kirche und Sendung in die Welt. leder Teil schließt mit ausformulierten Fragen, insgesamt 25.

I. Vor allem ist man als Ordenschrist dankbar, daß dieses Thema an so prominenter Stelle reflektiert werden soll. Dahinter steht das Wissen um die enge Verknüpfung des Schicksals der Orden mit dem Schicksal der Kirche. Abzulesen ist diese Gemeinsamkeit an der gemeinsamen augenblicklichen Krise im abendländischen Raum. Abzulesen aber auch an der Geschichte: Das geistig-geistliche Leben der frühen Kirche ist fast identisch mit der Geschichte des „aszeti-schen”, monastischen Lebens. Bene-diktinische und andere Gemeinschaften überbrückten die Krise der großen Völkerwanderung. Der franziskanische Neubeginn war ein Neubeginn kirchlichen Lebens.

Zwei wichtige Anliegen

Die sogenannte Gegenreformation mit der tridentinischen Erneuerung wurde von den neuen Gemeinschaften, lesuiten, Kapuziner und so weiter getragen. Selbst Luthers Reformation ist ohne sein vorausliegendes Mönchsleben nicht verständlich. Das Blühen des katholischen Lebens im 19. Jahrhundert geht Hand in Hand mit den vielen karitativ-sozialen Ordensneugründungen. Heute liegt die Zukunftshoffnung doch mehr auf den größeren und kleineren christlichen Gemeinschaften als auf der Bürokratie der verwalteten Kirche.

II. Das bringt die erste Frage: Ist die definitorische Umgrenzung des „Gottgeweihten Lebens” durch die drei Evangelischen Räte nicht zu eng? Der Ausdruck „Gott geweiht” (aus dem romanischen Sprachbereich) ist akzeptabel, wenn mir auch „Geistliche Gemeinschaft” mehr zusagt. Aber die fast durchgängige Benennung von Zölibat, Jungfräulichkeit mit „Keuschheit” (castitas) sollte endgültig verschwinden. Sie bildet einen Widerspruch zur Ehelehre, die Papst Pius XI. in „Casti Connubii” (Keusche Ehe) festlegte.

Historisch stammen die drei Evangelischen Räte in ihrer Eindeutigkeit erst aus dem 12. Jahrhundert. Das II. Vaticanum hebt daher „das theologisch Wesentliche des Ordenstandes, seinen Ursprung und seine Mitte” (Wulf) hervor mit: „Letzte Norm des Ordenslebens ist die im Evangelium dargelegte Nachfolge Christi. Sie hat allen Instituten als oberste Regel zu gelten.” Der existentielle Charakter der „Nachfolge”-Worte Jesu wird durch eine statische Übersetzung mit „Nachahmung”, „Gleichgestaltung” (7) entschärft.

Es stellt sich zum Beispiel die theologische Frage, ob der Ordensgehorsam, „der von den rechtmäßigen Oberen gemäß den verschiedenen von der Kirche gebilligten Konstitutionen ausgesprochen wird” parallelgesetzt werden darf mit der Haltung Jesu, „der für uns dem Willen des Vaters gehorsam wurde bis zum Tod”. Geht es hier nicht vielmehr um den Glaubensgehorsam jedes Christen schlechthin?

III. Das Papier bemüht sich, „Neue Formen des Lebens nach dem Evangelium” im Rahmen einer „öffentlichen Profeß der evangelischen Räte” (24) unterzubringen. Hier solle man mit Wulf beachten, daß die „Ständetheologie, insbesondere des Ordenslebens” „so in Fluß (ist), daß es noch keine von allen angenommenen Antworten gibt”. Die Rückbindung an die biblische „Nachfolge” könnte das Konzept dynamisieren, den wohl zu engen Rahmen sprengen.

IV. Man darf das Papier, das Rahmen setzen will, nicht überinterpretieren. Aber dennoch fällt auf, daß ein vom Lehramt (4) klar abgesteckter Rahmen postuliert wird, innerhalb dessen das Neue wachsen darf. Das „Charisma des gottgeweihten Lebens”, als „Geschenk Gottes für seine Kirche” habe seinen Sinn innerhalb der „Aussagen des Lehramtes im II. Vatikanischen Konzil und in den nachkonziliaren Dokumenten”; die „theologisch-rechtliche Ebene” (14) wird normativ über das Charisma gesetzt. Auch hier darf man sagen, daß bei den Franziskanern, den Jesuiten, den Kleinen Brüdern und Schwestern Jesu es gerade das Durchbrechen alter „theologisch-rechtlicher” Normen war, das der Kirche neue Impulse gab.

Die vatikanische Formulierung von der „im Evangelium dargelegten Nachfolge Christi” bietet dazu Raum. Vielleicht kann auch eine Besinnung auf ostkirchliche Ekklesiologie das Verständnis weiten: Dort ist die Logos-Kirche mit ihrer Sorge für Wahrheit und Ordnung Gesprächspartner der Pneuma-Kirche mit ihren Neuansätzen und Aufbrüchen, aber nicht die dominierende Herrin über letztere (VI. Lossky).

V. Neben diesen allgemeineren Anliegen einer noch im Werden begriffenen „Ordenstheologie” scheinen mir zwei Anliegen wichtig: a) Eine neue Rolle der Frau in der Kirche wird von feministischer Seite in oft überschäumender Weise verlangt. Könnten nicht gerade für die Ordensfrauen, die doch die treuesten Kirchenchristen sind, Zeichen gesetzt werden von größerer geistlich-rechtlichen Selbständigkeit und stärkerem Einfluß in der hierarchischen Kirchenstruktur? Der berechtigte Feminismus wäre in guten Händen, b) Im II. Vati-kanum schaute das Aggiornamento noch weitgehend auf eine „Welt”, die säkularistisch-aktivistisch geprägt war.

Das Positive ins Zentrum

Inzwischen zeigt sich, daß der Mensch „unausrottbar religiös” veranlagt ist. Im deutschsprachigen Raum scheinen besonders die Ordensgemeinschaften Zukunft zu haben, die Spiritualität, religiöse Erfahrung, Gebet und Meditation, Innerlichkeit akzentuieren. Dieses „Zeichen der Zeit” verlangt eine erneute Reflexion über die Grundproblematik von Aktion und Kontemplation innerhalb aller Institute des gottgeweihten Lebens.

VI. Abschließend ist zu sagen: So wichtig die theologische, die rechtliche und auch die spirituelle Reflexion ist, wichtiger sind gerade für das Anliegen der Kontemplation die konkreten Züge, die zu beobachten, aufzugreifen und oft genug auch zu korrigieren sind: Gebetszeiten, Erholungsmöglichkeiten, Ausbildung, menschliche Erfüllung im Einsatz, Pflege der Gemeinschaft, Leitungsform und so weiter.

Hier sollte vom Grundprinzip der „Nachfolge Jesu” her nicht das Negative (Aszese, Verzicht), sondern das Positive („bei ihm, um ihn sein”, MK 3,14) im Zentrum stehen. Vielleicht kann dann das geschehen, was Fr. Wulf im Kommentar zum Konzil schrieb: das „eine Wende in der Geschichte des Ordenslebens eingeleitet (ist), deren Ausmaß wir einstweilen noch gar nicht absehen”.

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