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Die Zukunft gehört auch den Kleinen"

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„Small is beautif ul" ist der Titel des bekanntesten Buches von Ernst F. Schumacher, das Anfang der siebziger Jahre erschienen ist. Darin wird der Ruf nach der überschaubaren Einheit menschlichen Zusammenlebens und -wirkens laut: Der Ruf nach der Klein- anstelle der Großstadt, der Basisgemeinde anstelle der Großpfarre, dem Kleinbetrieb anstelle des Großkonzerns.

Daß klein schön sein mag, das können sich viele durchaus vorstellen. Aber daß wir es uns wirtschaftlich auch leisten können, wird vielfach bestritten. Lange Zeit herrschte ja die Uberzeugung vor, daß wirtschaftlicher Fortschritt notwendigerweise mit einem Konzentrationsprozeß verbunden sein müsse: Größere Betriebe, größere Städte, größere Wirtschaftsräume.

Und tatsächlich ist die Entwicklung ja auch durchaus in diese Richtung gegangen: Multinationale Konzerne haben gigantische Umsatzziffern erreicht (Exxon hatte 1979 mehr Umsatz als die DDR Volkseinkommen), in den einzelnen Ländern wächst die Bedeutung der Großunternehmen: In England waren 1935 noch 38 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit weniger als 200 Mitarbeitern tätig, 1968 jedoch nur mehr 19 Prozent.

Ist daher der Ruf nach kleineren und überschaubareren Betrieben die wirtschaftliche Version der Nostalgiewelle? Oder lassen sich auch wirtschaftliche Argumente für die Klein- und Mittelbetriebe ins Treffen führen?

Karl Aiginger und Gunter Ti-chy haben umfassendes Datenmaterial (vor allem österreichisches) zur Erfassung der Leistungsfähigkeit von Betrieben unterschiedlicher Größe ausgewertet. Fazit: Die Kleinen und Mittleren liegen im Vergleich zu den Großen sehr gut. Schon bei der technischen Leistungsfähigkeit (Nettoproduktionswert je Beschäftigten) schneiden die kleinen Mittelbetriebe (100 bis 500 Beschäftigte) am besten ab. Großunternehmen (mehr als 1000 Beschäftigte.) hingegen übertreffen diese Effizienz nur, wenn sie dezentral organisiert sind, also mehrere mittelgroße Betriebe umfassen.

Vom technischen Standpunkt dürfte also die mittlere Produktionseinheit überlegen sein. Anders ist die Situation, wenn man sie von der Warte der wirtschaftlichen Rentabilität aus betrachtet. Die Gewinnträchtigkeit ist bei den kleinen Einheiten (unter 100 Beschäftigten) am größten. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Untersuchungen in der BRD.

Die Kleinen sind also nach gängiger ökonomischer Beurteilung durchaus nicht leistungsschwächer,'im Gegenteil. Wie steht es nun aber mit anderen, ebenso wichtigen Aspekten, wie sozialem Klima, Fähigkeit Arbeitsplätze zu schaffen, Forschung, Umweltschutz, usw?

Da ist zunächst interessant, daß neue Arbeitsplätze überwiegend in kleinen und mittleren Unternehmen geschaffen werden: Von 6,76 Millionen neugeschaffenen Arbeitsplätzen in den USA (1960 bis 1976) entfielen 82 Prozent auf Betriebe mit weniger als 100 und davon 4,46 Millionen auf Firmen mit weniger als 20 Beschäftigten! Auch in Osterreich wurden von 1964 bis 1976 in Klein- und Mittelbetrieben 80.000 Arbeitsplätze geschaffen, während in den Großbetrieben 13.000 verloren gingen.

Soweit die relativ spärlich vorhandene Information Schlüsse zuläßt, dürfte auch die Zufriedenheit am Arbeitsplatz eher bei den Kleinen vorhanden sein: Unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen waren in Betrieben unter 1U0 Beschäftigten acht Prozent der Befragten, in Betrieben über 1000 jedoch 15 Prozent!

Interessant ist, daß auch bezüglich Forschung die Unterschiede durchaus nicht so drastisch sind, wie allgemein angenommen wird. Natürlich sind die Kleinen vor allem in Bereichen tätig, in denen wenig geforscht wird. Daher schneiden sie bei Vergleichen der Durchschnittswerte schlecht ab.

Zieht man aber einen Vergleich der forschenden Unternehmen heran, so erkennt man, daß der Anteil des Forschungs- und Entwicklungsaufwandes bei Kleinen und Mittleren durchaus nicht stark unter dem der Großen liegt (1,9 und 2,4 Prozent des Umsatzes im Vergleich zu 2,7 Prozent)

Dazu kommt folgendes: „Kleinere forschen effizienter, ihr Anteil an der Innovation ist daher größer als ihr Anteil an den Forschungs- und Entwicklungsausgaben ..." (S. 90)

Was Fragen des Energieverbrauchs- und der Umweltbelastung anbelangt, lassen sich derzeit keine eindeutigen Aussagen machen. Untersuchungen zeigen jedoch, daß die Großen keinesfalls sparsamer im Umgang mit Energie sind als die Kleinen und Mittleren.

Damit wird deutlich, daß dieKlein- und Mittelbetriebe in mehrfacher Hinsicht mit den Großen mithalten können, sie sogar in der Leistungsfähigkeit übertreffen. Wieso kommt es trotz alldem zu einer Konzentration in der Wirtschaft?

Ein Hauptgrund dafür ist die größere Instabilität der Kleinen. Sie sind oft nicht imstande, Durststrecken durchzustehen. Ein nicht unwesentlicher Grund dafür ist auch, daß den Großen bei Schwierigkeiten viel eher zu Hilfe gekommen wird.

Was sollte also eine Wirtschaftspolitik tun, um Chancengleichheit zwischen klein und groß herzustellen?

• Einfachere Rechtsvorschriften: Die derzeitige Unübersichtlichkeit behindert vor allem Neugründungen von Unternehmen.

• Rückkehr zur indirekten Förderung: Direkte Förderung durch Zuschüsse, begünstigte Kredite, Garantien erfordert zu ihrer Wahrnehmung Spezialwissen, das sich nur Große leisten können.

• Eine geänderte Wettbewerbspolitik: Gefördert werden sollten vor allem Neugründungen (z. B. durch begünstigtes Leasing von Produktionsstätten und von Standardausrüstung) und verhindert werden sollte die Fusion von Großen.

• Kriseninterventionen bei kleinen Unternehmen: Dies wäre besonders dann wünschenswert, wenn es zu unverschuldeten Krisen (etwa durch Konkurs eines großen Kunden) kommt.

Small ist also nicht nur beauti-ful sondern auch effizient. Unsere Wirtschaftspolitik sollte dieser Tatsache mehr Rechnung tragen.

ENTWICKLUNGSCHANCEN DER KLEIN-UND MITTELBETRIEBE IN DEN ACHTZIGER JAHREN. Von Karl Aiginger und Gunter Tichy. Politische Studien, Sonderheft 1/1982, Olzog Verlag München.

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