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Digital In Arbeit

Die Zukunfts-Simulation

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Was berechtigt uns in einer bald ausweglosen Umweltmisere eigentlich zu der Hoffnung, daß uns ausgerechnet das jüngste Kind der Technik, die Elektronik- und Computertechnik, vielleicht doch noch vor dem bereits absehbaren Umweltkollaps bewahren könnte?

Ein entscheidender Unterschied zwischen der bisherigen Technik und dem Computer besteht darin, daß die erste Technikwelle im wesentlichen die menschlichen Muskelkräfte vervielfacht hat. Sie hat uns zu kraftstrotzenden Riesen gemacht, die nicht nur Bäume und Wälder aus-

reißen, sondern sich auch wie mit Sieben-Meilen-Stiefeln bewegen konnten.

Die physischen Kräfte und das mechanische Arbeitsvermögen wuchsen ins Unermeßliche; das Hirn dieses Riesen stand aber in keinem Verhältnis zu seinen Kräften.

Mit dem Computer, der zwar die Denkleistung und die Kreativität des Menschen in keiner Weise ersetzen kann, der aber seine Informationsaufnahme- und Verarbei-tungsgeschwindigkeit, sein Speichervermögen und seine Reaktionsgeschwindigkeit ins fast Unermeßliche steigern kann, sollte aus dem plumpen und gefräßigen Riesen eigentlich wieder ein geschmeidiges, angepaßtes und umsichtig agierendes Lebewesen werden.

Die größten Umweltgefahren liegen im weit überhöhten Energie- und Rohstoffverbrauch, in der Vergiftung von Luft, Wasser und Boden mit unseren Abfällen bis hin zur beginnenden Zerstörung der schützenden Ozonschicht, in einer übermäßigen Verbauung und Zersiedelung der Landschaft, im Raubbau an den tropischen Regenwäldern sowie in der Uberbeanspruchung der land- und forstwirtschaftlichen Böden durch Uberdüngung, Pe-

stizideinsatz, Monokulturen...

In sehr vielen umweltrelevanten Bereichen beginnt man heute, Computer und Mikroelektronik einzusetzen, beziehungsweise wendet diese bereits mit Erfolg an. Wobei die Spannweite des Computereinsatzes vom Abspeichern von Umwelt-Erholungsdaten in Datenbanken über Simulationen der Wirkungsmechanismen, die verschiedensten automatischen Meßstationen und Warnsysteme bis hin zur Steuerung von schadstoffarmen und energieoptimalen Produktionsabläufen reicht.

Man muß sich nur einmal vergegenwärtigen, wie ungeheuer stark die computergesteuerte Sa-telliten-Beobachtungs- und Aufnahmetechnik unsere Sicht der Erde bereichert hat; so kann man heute das Weltwetter beobachten und auch allfällige Katastrophen frühzeitig erkennen. Oder man kann Lagerstätten von Rohstoffen aufspüren, den Schädigungszustand der Vegetation (zum Beispiel Wald) feststellen.

Auch erfolgt der Weizenanbau in den USA und in Kanada schon

heute aufgrund von Satelliten-Auswertungen, die es gestatten, den voraussichtlichen Weizenertrag des laufenden Jahres in der Sowjetunion und sonstigen An-bauländern sehr frühzeitig vorauszusagen. Aus der Sicht der Umwelt ist ein solches Steuerungssystem durchaus positiv zu bewerten, weil es gleichermaßen Uberproduktion und Unterversorgung vermeiden hilft.

In computerunterstützten Dokumentationssystemen ist heute nicht nur beinahe das gesamte Wissen der Menschheit weltweit verfügbar, sondern in vielen Bereichen wird begonnen, Millionen von Umweltbeobachtungen einzuspeichern, um daraus — was wieder nur mit Hilfe des Computers möglich ist - verschiedene Trends, Ursache-Wirkung-Ana-lyseh auszurechnen.

Aber wir brauchen gar nicht so weit zu gehen: die zukünftigen Mikroprozessoren in unseren

Waschmaschinen, unseren Heizungsanlagen und in unserem Auto lassen gewaltige Einsparungseffekte erwarten.

Auch Beispiele für Warnsysteme gibt es bereits genug, etwa das Strahlenwarnsystem unserer Umweltbehörden, das sich leider schon bewähren mußte.

Solche automatischen Uberwa-chungssysteme sollen überall dort Alarm auslösen, wo durch erhöhte Schadstoffbelastungen Gefahrensituationen entstehen. Sie sind mit einer Brandmeldeanlage vergleichbar. Beide ändern jedoch nichts an der Grundproblematik, daß nämlich eine Gefahr eingetreten ist. Erkennt man diese jedoch frühzeitig, so kann meist noch erfolgreich dagegen angekämpft werden.

Weitestgehend computergesteuert arbeiten heute bereits viele Verteilungs- und Nachschubsteuerungssysteme wie zum Beispiel das österreichische Stromverbundnetz oder die Warenver-teilungs- und Dispositionssysteme großer Handelsorganisationen sowie teilweise auch die Ampelsteuerung in den Städten — und

helfen so, Energie und Lagerraum zu sparen.

Auch heutige und vor allem zukünftige Kommunikationssysteme, die alle computergesteuert arbeiten werden, sind in gewisser Weise als Umweltnützlinge einzustufen: sie ermöglichen einerseits masselos und energiesparend einen weltweiten Informationsaustausch in beliebigem Ausmaß. Und erfreulicherweise ersetzt der Bildschirm vielfach den Ausdruck auf Papier und schont somit unsere Wälder. Andererseits werden Systeme wie das Bildtelefon viele energieaufwendigen Reisen überflüssig machen.

Als Beispiel für ein computergestütztes Simulationsmodell sei das „Markal“-Modell erwähnt, mit dessen Hilfe das österreichische Energiekonzept erstellt wurde. Es ermöglicht, über eine Simulation der gesamten österreichischen Energiesituation den Nutzen des Kapitaleinsatzes für neue Energie-Investitionen zu optimieren oder die Gesamtschadstoffbelastung zu minimieren.

Wenn uns auch gerade das Technikzeitalter enorme Umweltprobleme beschert hat, so will doch heute keiner die vielen nützlichen Errungenschaften eben dieser Technik missen. Unsere einzige realistische Uberlebenschance besteht heute wahrscheinlich in einem intelligenten, selektiven, differenzierten und insgesamt umweltbewußteren Technikeinsatz.

Die Chance, bei künftigen Entscheidungen seine Auswirkungen weitgehend voraussehen zu können, gibt der Menschheit ihr Schicksal noch einmal in die Hand. Wenn wir aber nicht lernen, dazu auch unsere Vernunft zu gebrauchen, werden wir auch diese Chance bald vertan haben.

Der Autor ist Ministerialrat und Abteilungsleiter in der EDV-Sektion des Bundesministeriums für Finanzen sowie Hochschullektor an der Technischen Universität Wien und Vortragender an der Osterreichischen Akademie für Führungskräfte.

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