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Dienst an Armen und Kranken

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Das älteste Spital Wiens, das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder feierte am 11. Juni die 375 Jahre seines Bestehens: Anlaß für einen Rückblick auf die Entwicklung des Spitalswesens.

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Das älteste Spital Wiens, das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder feierte am 11. Juni die 375 Jahre seines Bestehens: Anlaß für einen Rückblick auf die Entwicklung des Spitalswesens.

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Im unteren Werdt, vor den Toren der Stadt gründete der Mailänder Arzt Fra Gabriele Ferrara 1614 dieses erste Wiener Spital. Am Tabor, so der Name des Befestigungswalles , lag der Ausgangspunkt für Handel und Verkehr in die nördlichen und östlichen Länder der Habsburger.

Das Wiener Spital wurde in der Folge Ausgangspunkt für 26 Spitalsgründungen nördlich der Alpen.

Es hatte anfänglich 20 Betten. Nach einer Brandkatastrophe im Jahre 1655 wurde der Neubau mit zwei Krankensälen, in denen insgesamt 100 Betten vorgesehen waren, geplant. Für die psychisch Kranken wurde damals ein eigener Trakt eingerichtet.

Der Beginn des Wirkens der Barmherzigen Brüder jenseits der Alpen fiel in die Zeit der Gegenreformation und des beginnenden 30jährigen Krieges. Als Sanitäter, Wundärzte und Feldchirurgen begleiteten die Brüder damals - schon 250 Jahre vor dem Entstehen des Roten Kreuzes - die Heere. Gleiches taten sie auch in den Türkenkriegen. Viele ließen, wie die Chroniken berichten, dabei ihr Leben.

In der Geschichte Wiens leisteten die Barmherzigen Brüder heroische Einsätze in den verheerenden Pest- epedemien und während der Türkenbelagerung. In Notsituationen stellten sie nicht nur einmal ihre eigenen Schlafräume zur Verfügung.

Diese Sorge für alle Leidenden blieb ein zeitloses Anliegen der Brüder. Bezeichnenderweise errichteten die B armherzigen Brüder auch 1934 während der bürgerkriegsartigen Kampfhandlungen ein Notlazarett für beide Seiten unter den Bögen der Oper. Und schon 1927 nach dem Brand des Justizpalastes hatten die Barmherzigen Brüder einen vom Großindustriellen Meinl gestifteten Geldpreis für jene Institution, die sich am stärksten für Versöhnung und Ausgleich einsetzte, bekommen.

Zur Zeit der Eröffnung des Allgemeinen Krankenhauses 1784 in Wien hatte das Konventspital 130 Betten und jährlich3.000 Patienten. Es bildete mit diesem die einzig nennenswerten hospitalen Einrichtungen in Wien bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.

Mit den Barmherzigen Brüdern kam von der Ordensgründung an ein neuer Standard in die Krankenpflege. Die Bürgerspitäler und Hospize der damaligen Zeit waren im heutigen Sinn Pflegeheime. Die Forderung „jedem Kranken sein eigenes Bett“ durch den Ordensgründer Johannes von Gott (1495- 1550, heiliggesprochen 1690) war für seine Zeit revolutionär.

Vorbildlich waren die hygienischen Vorschriften und der auf ihrer Sendung als Barmherzige Brüderbasierende humane Umgang mit den kranken Menschen.

Das Abgehen von den großen Krankensälen blieb allgemein erst unserer Zeit Vorbehalten. Die Brüder übten die Krankenpflege aus. Sie stellten zum großen Teil selbst die oft herausragenden Ärzte. So war der Gründer des Wiener Krankenhauses Fra Gabriele Ferrara schon ein anerkannter und begehrter Chirurg, als er mit 48 Jahren Barmherziger Bruder wurde. Er verfaßte ein weit verbreitetes Lehrbuch der Chirurgie.

Wurden in den Spitälern der Brüder Krankenpfleger immer schon gründlich angelernt und ausgebildet, so kristallisierte sich 1718 im damals niederösterreichischen Feldsberg (heute CSSR) eine echte Schule heraus. Mit der etwas später entstandenen Prager Krankenpflegeschule hatte die österreichisch-böhmische Ordensprovinz zwei Schulen von hervorragendem Ruf.

Das „Barmherzigenspital“ ist nach 375 Jahren noch immer die Anlaufstelle für die Unbemittelten. 14.000 Patienten werden jährlich ohne Krankenschein und Entgelt ambulant und wenn nötig auch stationär versorgt. Zur Legende wurde die Zahnambulanz. Um 1930 waren 49 Prozent der Betten „Gratisbetten“. Arbeitslose, Ausgesteuerte, Obachlose und Fremde nahmen das Krankenhaus der „Barmherzigen“ in Anspruch.

Die finanziellen Mittel dafür wurden seit dem Stiftungsbrief Ferdinands IL (1624) buchstäblich von den Brüdern erbettelt. Eigene Sammelbrüder durften in allen Erblanden der Habsburger sammeln gehen.

Die jährlich durchgeführte Haussammlung mittels Erlagschein ermöglicht es den Brüdern auch heute, Anlaufstelle für Erkrankte ohne Krankenschein und Mittel zu sein.

Jahrhunderte lang gab es die Einrichtung der Stiftungsbetten. 1791 hatte das Wiener Spital deren 91. Der „Stifter“ verpflichteten sich die Kosten der Pflege für ein Bett, egal wer es benutzte, zu übernehmen.

Nach 1918, dem Wegfall alter Privilegien und des Stiftungsfonds schafften die Brüder, oft auf sich allein gestellt, die Reorganisation und den Neuaufbau des Werkes.

Gleiches gelang ihnen auch nach denEnteignungen im Zweiten Weltkrieg. Heute sind sie mit sieben Krankenhäusern, zwei Pflegeanstalten und einer Kuranstalt der größte private Spitalserhalter in sterreich mit 3.150 Betten, 2.694 Mitarbeitern und jährlich 70.733 (1988) Patienten. Eine Studie des Instituts für Ethik und Sozialwissenschaften der Grazer Universität resümiertnach einervunfangreichen Patientenbefragung im Jahre 1986: „Die ehemaligen Patienten sind mit den Krankenhäuem der Barmheri- gen Brüder in seinem sehr hohen Ausmaß zufrieden.“

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