6994616-1987_05_01.jpg
Digital In Arbeit

Dieser Union eine Chance!

Werbung
Werbung
Werbung

Man muß fürwahr kein fanatischer oder in der Wolle gefärbter „Groß-Koalitionär“ sein, um es zu sagen: Die Ausgangslage vom 16. Jänner für eine neue politische Epoche in unserem Staat scheint (!) durchaus chancenreich zu sein. Es mag schon Kritiker geben, die das an diesem Tag unterzeichnete Koalitions-Dokument lediglich als eine dürftige „Zwangsjacke“ in der Konsequenz der November-Wahlen 1986 verstehen. Immerhin ist dieses aber die Grundlage einer neuen Zusammenarbeit nach einer radi-

kal und eher blamabel zu Ende gegangenen Ära, deren Erbe eine traurige Hinterlassenschaft für Staat und Staatsvolk ist, und dies nicht nur wegen Verschuldung und leerer Kassen.

Am Ende dieser Ära stehen weit verbreitet auch der Vertrauensschwund in das politische Geschäft, eine deutliche Schwindsucht an Staatsbewußtsein, Teilnahmslosigkeit und eine grassierende No-future-Stimmung, zumal bei der Jugend.

Gerade diese Zeitung muß an die beiden Regierungsparteien und Neo-Partner die Gewissensfrage stellen, wie umfassend und ernst sie sich als Sanierungsgemeinschaft begreifen. Umfassende Renovierungen am einsturzbedrohten Gebäude Österreich, das soll vom ersten Tag an unmißverständlich festgestellt sein, heißt ökonomisch, geistig und moralisch Hand anzulegen. Es mag für die SPÖ schon ein reichlich schwer zu verdauender Brocken sein, überhaupt zuzugeben, daß saniert werden muß. Bruno Krei-sky hat es ihr aber mit seinen Zornesblitzen sicherlich erleichtert.

Das selbstzerstörerische

Schlagwetter aus der Wiener Armbrustergasse hat seine wahre Begründung in der (verständlichen) Uneinsichtigkeit des Pro-ponenten der untergegangenen Epoche, daß Norbert Leser recht hat mit dem, was er jüngst sagte: „Der Sozialismus ist heute eine unverkäufliche Ware.

Bert Brecht war es, der einmal geschrieben hat: „Kein Vormarsch ist so schwer wie die Rückkehr zur Vernunft.“ Der Koalitionspakt könnte eine solche Revision und auch Umkehr des politischen Weges durchaus bewirken. Ankommen aber wird es auf die Praxis in der Regierungsarbeit, auf die ehrliche und breite Zusammenarbeit. Werden etwa Parlament oder Ministerrat zum Turnierplatz parteipolitischer Profilierungssucht oder zur raffinierten wechselseitigen Fallen-stellerei, dann ist jeglicher Kredit verspielt. Wird auch nur der Anschein erweckt, die Regierungsparteien betrachten Österreich als ihre „Erbpacht“, ist die Stunde

der Chaoten und Demagogen von links und rechts gekommen.

Die Groß-Koalitionäre werden zu bedenken haben, daß nach den alten Erfahrungen mit einer Großen Koalition Glaubwürdigkeit ein sehr zerbrechliches Gut ist. Darum müßten sie morgen schon konsequent an Wahlrechtsreform und Ausbau der direkten Demokratie herangehen. Ein solcher Innovationsschub würde der Regierung einen ungeheuren Prestigegewinn verschaffen, das wäre auch eine staatsmännische Großleistung für einen demokratiepolitischen Modernisierungsprozeß.

Das Kabinett Vranitzky/Mock muß und soll das harte Geschäft des Schutträumens auf sich nehmen. Es sollte aber auch möglichst bald Akzente setzen, die jedem Staatsbürger zeigen, daß es darüber hinaus weiträumig denken kann und Reformkonzepte parat hat. „Partizipation lernt man nur durch Partizipieren“, schrieb jüngst der Sozialforscher Rudolf Bretschneider. Diese Formel wäre auch in einem weiteren und tiefen Sinn zu erkennen, um in diesem Land die Teilnahmslosigkeit in Engagement zu verwandeln. Wäre es da nicht angebracht, der neuen Regierung auch die programmatische Bezeichnung einer „Verantwortungsunion“ mit auf den Weg zu geben?

Je deutlicher diese Regierung in ihrem im Augenblick notwendigen Krisenmanagement gleichzeitig auch die Verantwortung für die Zukunftsgestaltung und Zukunftssicherung erkennen läßt, umso mehr wird sie auch das Niveau der oppositionellen Kräfte, in das man gegenwärtig genug Zweifel zu setzen hat, herausfordern und heben. Man sollte da eine gewisse verführerische Attraktivität der unbekümmerten Wortartisten, vyenn sie vor allem auf „Ladlschupferniveau“ agieren, nicht unterschätzen.

Es wird schwer genug sein, das harte Brot des Sanierens überzeugend anzubieten. Noch schwieriger wird es sein, die Grundlagen dieses Programms — Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, Realitätssinn, Opfer und Leistung — jeweils bei den eigenen Anhängern durchzusetzen. An den Pragmatikern führt kein Weg vorbei; wir brauchen sie, um überleben zu können. Sie verdienen einen gewissen Vertrauensvorschuß. Dieser wird aber rasch auf Null verbraucht sein, wenn Redlichkeit und geistiges Profil fehlen.

Ob sich eine Regierung der „besten Köpfe“ am Mittwoch dem Nationalrat vorgestellt hat, diese Frage erscheint im Augenblick müßig. Sicherlich aber brauchen wir eine Regierung, die anzupak-ken versteht, die nun die Ärmel aufkrempelt. Wir Staatsbürger haben das gleiche zu tun, um ihr damit eine Chance zu geben, ohne die Wachsamkeit — auch die des Christen - zu vernachlässigen.

Der Autor ist „Styria“-Generaldirektor und Herausgeber der FURCHE.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung