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Dieses Gesetz kann nichts verhindern

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Daß die Gentechnik gesetzlich geregelt wird, um eine „zufriedenstellende Integration in unsere Gesellschaft" zu erreichen, ist positiv zu sehen. Das vorrangige Ziel: „Schutz der Gesundheit und der Umwelt des Menschen". Aber wird dieses Ziel erreicht?

Vordergründig scheint es so. Viele Regeln, Verfahren und Einrichtungen, etwa die Gentechnik-Kommission sollen dafür sorgen: Vertreter der Ministerien (sechs), der Wissenschaft und Technik (16), der Sozialpartner (vier), der kritischen Öffentlichkeit (zwei), der Selbsthilfegruppen (eins). Man erkennt sofort die Schlagseite: Gesetz und Kommission werden wissenschafts- und wirtschaftsfreundlich sein. „Ökonomische Interessen sollen durch keine unangemessenen Beschränkungen behindert werden...," liest man in den Erläuterungen.

Der Bundeswirtschaftskammer ist der jetzige Entwurf trotzdem suspekt, da „die Anliegen der Wissenschaft und der Wirtschaft" nicht „im erforderlichen Ausmaß berücksichtigt würden." Fiktive Risken seien überbetont worden. Ähnliche Sorgen von Wissenschaftsminister Erhard Busek: Es dürfe „keine Diskriminierung der österreichischen Forschung gegenüber dem Ausland geben". Die zu strenge Regelung werde gentechnische Anlagen in Nachbarländer mit leichteren Auflagen abdrängen.

Da wird deutlich, woher der Druck kommt und weiterhin kommen wird: alles möglichst rasch und einfach. Dagegen bietet der Entwurf keine wirklichen Barrieren. Denn jede Entscheidung soll nach dem Stand der Wissenschaft und Technik erfolgen. Dieses Wissen ist -jedenfalls, was Freisetzungen anbelangt - aber minimal, wie Herbert Sukopp von der Technischen Universität Berlin in einer Dokumentation des Umweltbundesamtes feststellt: Für die Mehrzahl der Fragen, die eigentlich beantwortet werden müßten, „haben wir nicht hinreichend Daten, um sie sofort quantitativ und in der notwendigen Genauigkeit auf Raum und Zeit bezogen beantworten zu können."

So wird man zwar Risiko abschätzen, den Eindruck erwecken, als hätte man die Sache im Griff. Aber alle Erfahrungen mit Technik zeigen, daß man erst nach Eintritt der negativen Folgen wirklich etwas weiß. Das war auch mit der Atomenergie so. Wieviel hat sie erst durch Tschernobyl gelernt! Wissenschaft ist erfahrungs- und nicht zukunftsbezogen.

Wird da die von Wissenschaftern dominierte Kommission die Zumut-barkeit von Risken beurteilen können? Etwa weil ein (!) Ethiker in der Kommission sitzt? Und nach welchen Kriterien wird er urteilen? Was ist überhaupt ein tragbares Risiko? Alles unbeantwortete Fragen.

Und nirgends im Gesetz wirklich absolute Verbote - selbst bei den Eingriffen in die Keimbahn, bei der Genanalyse nicht, wie man den Erläuterungen entnehmen kann: „Das Verbot jeglichen Eingriffs in die menschliche Keimbahn ist ein fundamentales, gesellschaftliches Anliegen. Es besteht international Übereinstimmung, derartige Eingriffe zu verbieten, solange die ethischen und sozialen Voraussetzungen für ihren Einsatz zu therapeutischen Zwecken nicht gegeben sind." Solange... Wieder ein Hintertürl.

„Dem Menschen muß ein Recht auf einen angemessenen Eingriff in Mensch und Umwelt zugebilligt werden...", steht in den Erläuterungen zum Entwurf. Haben wir nicht schon genug Probleme mit unseren bisherigen Eingriffen? Und wo bleibt das Recht, von unabsehbaren Bedrohungen verschont zu bleiben?

Und noch etwas: Wer wird die Auflagen kontrollieren? Schon jetzt ist es der Behörde nicht möglich, die einfachsten Umweltschutzauflagen wirksam zu kontrollieren - im Umgang mit Chemikalien. Wie wird das erst sein, wenn es sich um Lebewesen handelt, die sich selbständig machen können, nicht mehr rückholbar sind?

Dieses Gesetz managt eine technische Entwicklung, die sich außerstande sieht, fundamental auf ihre Zuträglichkeit zu reflektieren. Das wichtigste steht vielleicht im § 67: Forcierung der Sicherheitsforschung. Daß wir sie - und wohl auch eine Reparaturforschung - brauchen werden, steht schon jetzt außer Zweifel.

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