Antisemitisch? Zielscheibe werden im verminten Land
Martin Jäggle bewertete einen im Magazin "News" publizierten Artikel von Monika Wogrolly über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Vorwoche als „hochgradig antisemitisch“. Die Autorin kontert.
Martin Jäggle bewertete einen im Magazin "News" publizierten Artikel von Monika Wogrolly über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Vorwoche als „hochgradig antisemitisch“. Die Autorin kontert.
Stellen Sie sich vor, Sie haben nach christlichen Werten nicht nur gelebt – sondern widmen Ihr ganzes Leben dem Dienst aller, wirklich aller Menschen und der Förderung der Ethik und des Dialogs. Soweit alles gut. Doch dann werden eines Tages aus dem Zusammenhang gerissene Halbsätze von Ihnen von einem Experten wie Martin Jäggle als „hochgradiger Antisemitismus“ öffentlich proklamiert.
Seit einem nicht nur polemischen, sondern sexistischen Beitrag auf der Internetseite Menawatch des Journalisten Christian Ortner, worin er meinen News-Artikel „Die Psychologie der Macht“ vom 15. April über Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj in menschenverachtende Zusammenhänge stellt, bin ich einer medialen „Hexenjagd“ ausgesetzt, als wäre ich buchstäblich auf ein Minenfeld getreten. Ich erlebe mediale Herabwürdigungen meiner Motive und Person, mir drohende Hasspostings auf Internetseiten von Tageszeitungen und Shitstorms in Sozialen Medien. News-Herausgeber Horst Pirker hat indes Christian Ortner geklagt, weil dieser News wegen meiner fachlichen Analyse mit dem nationalsozialistischen Stürmer verglichen hatte.
Spaltung wird angefeuert
Die Deutung, mein Text enthalte antisemitische Stereotype, entstammt allenthalben Ortners Willkür und hat nichts mit der dahinter stehenden Absicht zu tun, fachlich fundierte Überlegungen über die medialen Inszenierungen und medialen Rollenbilder der beiden Präsidenten Putin und Selenskyj anzustellen. Mit Jäggles Urteil des „hochgradigen Antisemitismus“ in der FURCHE wird nun die Spaltung von Gut und Böse sowie die Ausgrenzung, ja Stigmatisierung durch die Konstruktion eines kollektiven Feindbildes weiter angefeuert – und das völlig ungeachtet dessen, welcher Hermeneutik als Kunst der richtigen Auslegung mein Text bedarf! Sieht so die Förderung des „medienethischen Dialogs“ aus, den sich Jäggle gewünscht hätte?
Er bezieht sich in seinem Kommentar auf Begriffe, die er als antisemitisch interpretiert. Etwa auf das Wort „Vampir“, das laut seinem Kommentar „hervorragend geeignet sei, die jahrhundertelange Anschuldigung, Juden und Jüdinnen benötigen Blut für religiöse Zwecke, wachzurufen“. Werfen Sie mir Unwissenheit um diese Begriffe im Nationalsozialismus vor – aber doch nicht das, wogegen ich mein Leben lang beruflich und privat eintrete! Der Begriff des „Energievampirs“ oder „emotionalen Vampirs“ hat sich im Alltagsjargon längst durchgesetzt. „Vampir“ ist in meinem Text ein Begriff, der auf das Bedürfnis von Menschen mit histrionischen Eigenschaften anspielt, im Rampenlicht zu stehen. Und – das wird in meinem Text betont – histrionische Persönlichkeitszüge haben alle, die gern auf einer Bühne oder an einem Rednerpult stehen, was per se eine nützliche Eigenschaft sein kann.
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