Begründet sprechen

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Ob im Regierungsprogramm oder in der Reaktion auf die Hetze gegenüber Alma Zadic: Politische Kommunikation braucht mehr als Behauptungen oder bloße Empörung. Ein Gastkommentar.

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Ob im Regierungsprogramm oder in der Reaktion auf die Hetze gegenüber Alma Zadic: Politische Kommunikation braucht mehr als Behauptungen oder bloße Empörung. Ein Gastkommentar.

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Wenn es nach Svenja Krauss geht, muss die neue Bundesregierung halten. Die Berliner Politikwissenschaftlerin hat in einem internationalen Vergleich den Umfang von Regierungsabkommen und die Stabilität von Koalitionen untersucht und ist zum Schluss gekommen, dass lange Vereinbarungen die Bestandschance erhöhen.

Man kann solche Versuche, Untersuchungsdaten zu gewinnen, skeptisch sehen. Eines zeigen sie aber deutlich: Koalitionsabkommen sind primär eine interne Angelegenheit. Entscheidend ist, dass sie die Partner verstehen – und dass sie für das je eigene Umfeld Wiedererkennungswert haben. Folglich braucht es auch nicht den sonst hochprofessionellen Anspruch an Regierungskommunikation. Es reicht aus, Überschriften zu sammeln.

Zugleich (und vor allem in Österreich) gehören Koalitionsvereinbarungen zu den wenigen Dokumenten, in denen Regierungspolitikerinnen und -politiker Standpunkte in verbindlicher Weise festhalten, und aus denen sich Anhaltspunkte für ihre Sicht auf Staat, Gesellschaft, Politik und Recht ableiten lassen. Dementsprechend groß ist das Interesse.

In Österreich ist es üblich, Koalitionsabkommen vorzustellen, aber nicht, sie näher zu erklären oder zu begründen. Das Verständnis von Schlüsselbegriffen wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Es bleibt Medien und Initiativen überlassen, herauszufinden, was und wie es gemeint sein könnte. Niemand scheint sich darüber zu wundern, dass viele Tage nach Präsentation des Abkommens über immer neue „Entdeckungen“ im Programm berichtet wird. Es erzeugt auch keine Verwunderung mehr, dass Abkommen praktisch nie die internen Verfahren in der Bundesregierung regeln.

Outputs statt Diskussionen

Wenn wir politisches Handeln als die Erledigung von Aufgaben und die Erzielung eines „Outputs“ mit möglichst hohem Nutzen für möglichst viele verstehen, muss das nicht weiter schlimm sein. Letztlich zählt das Ergebnis. Wenn wir uns hingegen die Diskussionen der letzten Jahre über den Zustand liberaler Demokratien in Erinnerung rufen, scheint das eher fraglich. Diese weisen auf die Notwendigkeit einer Erneuerung demokratischen (Selbst-)Verständnisses und demokratischer Debatten hin. In einer Demokratie, so verstanden, schulden wir einander Argumente und gute Gründe. Diese bauen wiederum auf sachlicher Information und nachvollziehbaren Bewertungen auf.
In Österreich setzt sich der Stil von Regierungsabkommen fort, wenn diese, wie es heißt, „abgearbeitet“ werden. Jedenfalls war es bislang üblich, die Ausarbeitung von konkreten Maßnahmen in Form von Punktationen zu verkünden. Allgemeine Formulierungen ermöglichen in diesem Stadium kaum eine tiefergehende Debatte. Der nächste öffentliche Schritt ist dann in aller Regel die Vorlage eines fertigen Gesetzentwurfs. Damit wird die Auseinandersetzung aber auf Expertenebene verlagert. Der Teilnehmerkreis wird geschlossen.

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