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Besuch aus Paris

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Während Frankreichs Staatschef aus Polen abreiste, kamen der französische Ministerpräsident und der Chef des Quai d'Orsay nach Österreich. In der langen Geschichte der österreichiisch-frainzösiischen Beziehungen ist dies der erste Besuch, den ein französischer Regierungschef Österreich abstattet. Es könnte der Beiginn einer neuen Phase in diesen Beziehungen sein, einer Phase der wieder stärkeren Intensivierung, nachdem in letzter Zeit das Verhältnis Österreich-Frankreich als „eher kühl“, qualifiziert worden war; zumindest in der Erinnerung derer, die noch die Zeit vor dem Staatsvertrag und unmittelbar danach vor Augen hatten, als Österreich für Frankreich weltpolitisch interessant war — als ein Experimentierfeld der beginnenden Entspannungspolitik.

De Gaulles weltpolitische Ambitionen rückten Österreich mehr an den Rand des Blickfeldes. Was feststeht, ist sein Wille, die österreichische Unabhängigkeit garantiert zu sehen; als Europas Staatsmann mit dem ausgeprägtesten Sinn für Geschichte bezeichnete er diese Unabhängigkeit — so ungefährdet sie heute scheint — in diplomatischen Gesprächen häufig als die Voraussetzung der deutsch-französischen Freundschaft. Der ausgeprägte Sinn für historische Dimensionen und langfristige machtpolitische Entwicklungen motivierte auch die Pariser

Beurteilung der österreichischen EWG-Politik. Während österreichische Politiker noch hofften, Frankreich als Fürsprecher einer „maxi-malistischen“ EWG-Lösung zu gewinnen, setzte Paris diesen Hoffnungen schon frühzeitig Dämpfer auf. Früher als manche Politiker in Wien erkannte man in Paris, wo Österreichs Schwierigkeiten auf dem Weg zur Integration liegen würden, aber auch wo Österreich echte Funktionen als StabUisierungsfaktor in einem immer noch geteilten Kontinent zu erfüllen hat.

Langsam setzen sich solche Erkenntnisse auch in den Erklärungen mancher Regierungsmitglieder durch. Der Wandel der Terminologie (von der Assoziierung über das Arrangement und den Vertrag sui generis zum schlichten Abkommen zur Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen) ist ein Indiz, daß innerhalb der Regierung eine differenziertere Beurteilung der Integrationspolitik vor sich geht und der ReaMsimus über das Wunsdidenken Oberhand zu gewinnen beginnt. Der Besuch Pompidous und Couve de Murvilles sollte auch die letzten Vertreter des Wunschdenkens zu den Realitäten bekehren. Er sollte aber auch den Vertretern des Realismus eine Gelegenheit bieten, Frankreichs Interesse und Verständnis für die Position Österreichs zu intensivieren.

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