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Bleibende Aktualität kirchlicher Soziallehre

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Es ist nicht nur erforderlich, die Richtigkeit der katholischen Soziallehre zu erkennen. Das allein wäre zuwenig. Was geboten erscheint, ist die Übertragung der Grundsätze der Soziallehre in die Wirklichkeit. Das wieder setzt voraus, daß die Prinzipien der Soziallehre der Kirche zu einem Bestandteil der christlichen Lebensauffassung werden. Damit aber ist die Frage der Anwendbarkeit der Prinzipien der Soziallehre in den Entscheidungsbereich des einzelnen verlegt. Die Soziallehre soll aber auch Bestandteil einer allgemeinen „Christenlehre” werden. Der Heilige Vater fordert daher, daß die Soziallehre Schulfach in den katholischen Schulen und ebenso zum Rang eines Teiles des Religionsunterrichtes erhoben wird.

Während nun die Grundsätze und Richtlinien der Soziallehre feststehen — man kann sie einfach auf den Dekalog zurückführen —, wird es bei den Versuchen, sie in die jeweilige soziale und ökonomische Wirklichkeit zu übertragen, zu Meinungsverschiedenheiten auch unter den gläubigen Katholiken kommen. Der Papst deutet hier den Bestand von innerkatholischen Richtungsstreitigkeiten an, die schon deswegen unvermeidbar sind, weil auch die gläubigen

Katholiken weithin das, was sie als Soziallehre der Kirche erkennen, durch das Filter ihrer Interessen besichtigen werden. Der Heilige Vater ist sich dessen bewußt, daß die katholische Soziallehre keine Formelsammlung sein kann, die man mechanisch auf die Wirklichkeit anzuwenden vermag. Wenn also Meinungsverschiedenheiten unvermeidbar sind, soll es nicht

— das fordert der Papst ausdrücklich

— an gegenseitiger Achtung fehlen. Ein notwendiger Hinweis, wenn man sich der Art erinnert, wie etwa in den letzten Jahren der Gewerkschaftsstreit im katholischen Raum der Bundesrepublik ausgetragen wurde. Oder denken wir an die von Katholiken fo leichtfertig geübten billigen Disqualifizierungen oft nur Wegen einer un-- wesentlichen Meinungsabweichung, weil man nicht selten gewillt ist, seiner Meinung den Rang der alleingültigen zuzusprechen. Man kann sehr gut die Gedanken einer Sozialenzyklika, die auf der christlichen Liebe begründet ist, vertreten und dabei eben die gleichen Prinzipien durch sein eigenes Verhalten ad absurdum führen. Wo aber der Katholik dem Nichtkatholiken begegnet, soll es in Fragen der Religion und der Sittenlehre keine Kompromisse geben. Diese Kompromiß- losigkeit im Grundsätzlichen kann aber wohl mit dem Geist der Verständigung und mit dem Willen zur Zusammenarbeit verbunden sein, wenn es sich um die Verwirklichung von Zielen handelt, die in sich gut sind oder zumindest zum Guten hin gelenkt werden können.

Hat aber einmal die Hierarchie gesprochen, sind die Katholiken gehalten, die gegebenen Richtlinien zu befolgen, hat doch die Kirche nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die Grundsätze der kirchlichen und der religiösen Ordnung zu schützen; sie soll „verbindlich” eingreifen, auch’ im Bereich der weltlichen Ordnung, wenn es sich um die Beurteilung der Frage handelt, ob jene Grundsätze in konkreten Fragen auch gewährt sind”.

Die Enzyklika „Mater et Magistra” baut auf den bisherigen Sozialenzykliken auf, reflektiert aber sowohl die neue soziale und wirtschaftsorganisatorische Situation, welche die Kirche seelsorglich zu bewältigen hat, wie die Persönlichkeit des derzeitigen Heiligen Vaters. Insoweit hat „Mater et Magistra” unverkennbare Eigenheiten, die man in der Auswertung der Enzyklika nicht übersehen darf, soll sie doch mehr als andere Enzykliken auch ein pädagogisches Problem sein.

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