Coronapolitik und andere Schadensmeldungen

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Ob in Wien oder St. Pölten: Die Regierenden gewinnen mit dem Kursschwenk in puncto Coronapolitik kein Vertrauen zurück, sondern setzen den letzten Rest davon aufs Spiel. Ein Gastkommentar.

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Ob in Wien oder St. Pölten: Die Regierenden gewinnen mit dem Kursschwenk in puncto Coronapolitik kein Vertrauen zurück, sondern setzen den letzten Rest davon aufs Spiel. Ein Gastkommentar.

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Solide Politik ist ein Handwerk, das eine gehörige Portion Pragmatismus und Kompromissbereitschaft erfordert. Voraussetzung ist aber auch der Wille zur Macht, auch in der Demokratie. Gute, dem Gemeinwohl verpflichtete Politik kennt freilich auch den Unterschied zwischen Pragmatismus und Prinzipienlosigkeit, was man von der ÖVP in Niederösterreich, nachdem sie mit der rechtsextremen FPÖ eine Koalition eingegangen ist, leider nicht mehr sagen kann.

Welchen Schaden sie damit angerichtet hat, zeigt sich unter anderem auf dem Feld der Corona-Politik. Die ÖVP ist auf die Forderungen des neuen Regierungspartners nach einem mit 30 Millionen ausgestatteten Corona-Fonds zur „Wiedergutmachung“ für „Corona-Opfer“ eingegangen. Damit nicht genug, soll jegliche Werbung für Corona-Impfungen eingestellt werden. Das ist nicht nur ein gesundheitspolitischer Schwenk auf Landesebene. Mit ihm wird gleich die ganze bisherige Corona-Politik der Bundesregierung abgeräumt.

Dass Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner damit dem Bundeskanzler in den Rücken fällt, wird man allerdings nicht behaupten können. Er will zwar im Bund keinen Corona-Fonds nach St. Pöltener Vorbild, verteidigt aber Mikl-Leitners Koalition mit der FPÖ. Für den angekündigten Prozess der Versöhnung zwischen Befürwortern und Gegnern der Corona-Politik verheißt das nichts Gutes. Auch die Begleitumstände rund um die Auflösung des Expertengremiums „Gecko“ (Gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination) sind kein gutes Signal.

Was ist mit den Opfern von Ivermectin?

Gräben zuschütten bedeutet für die ÖVP, auf die Linie der notorischen Corona-Leugner, Maßnahmengegner und wissenschaftsfeindlichen Schwurbler einzuschwenken, an deren Spitze sich FP-Bundesparteiobmann Herbert Kickl durch die Bewerbung des Anti-Wurm-Mittel Ivermectin als Mittel gegen das Corona-Virus hervorgetan hat. Nachdem Menschen die für Pferde empfohlene Dosis eingenommen hatten, kam es zu Vergiftungen. Ob auch solche Personen mit Entschädigung durch den geplanten Wiedergutmachungsfonds rechnen dürfen, ist nicht bekannt. Allein schon der Begriff „Wiedergutmachung“ ist unsäglich, so als seien die Gegner der Corona-Maßnahmen Opfer politischer Verfolgung.

Die Bioethikkommission kritisiert die Entscheidung, nicht mehr für die Corona-Impfung zu werben, zu Recht als Verletzung der Schutzpflicht des Staates. Der Verzicht auf öffentliche Information könnte insbesondere für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen „indirekt eine vermeidbare Gesundheitsgefährdung bewirken“. Rückblickend ist festzuhalten, dass die rasche Entwicklung von Impfstoffen gegen Corona der Game Changer überhaupt im Kampf gegen das Virus war. Wer jetzt Impfgegner als politische Opfer darstellt, sei an die mehr als 22.000 Toten erinnert, welche die Pandemie allein in Österreich gefordert hat.

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