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Dem Rassismus die Grundlage entzogen

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Wie die moderne Populationsgenetik überzeugend darstellen kann, ist die Verschiedenheit der Völker eine Folge der äußeren Bedingungen, die die Menschen bei ihren Wanderungen auf der Suche nach Nahrung und I^ebensraum vorgefunden haben. Das hat, zusammen mit dem Leben in relativ isolierten Gemeinschaften während rund 100.000 Jahren, zu jenen Unterschieden zwischen den Menschen geführt, die noch immer fälschlich als rassisch bezeichnet werden. Die genetische Differenzierung deckt sich auch nur bedingt mit der gängigen Einteilung in sogenannte Rassen - ein Begriff, der von der Mehrheit der Genetiker und 1 Iumanbiologen als irreführend abgelehnt wird. Tatsächlich ist die genetische Variationsbreite innerhalb einer Gruppe größer als die Abgrenzung gegenüber einer anderen. Es gibt sicher Chinesen, die größere genetische Ähnlichkeit mit Ihnen haben als ihr österreichischer Nachbar.

Natürlich sind die Erbanlagen eine Quelle der Verschiedenheit der Menschen. Sie sind es, die bestimmen, ob einer zum Beispiel helle Haut und Augen oder dunkle hat. Aber das gehäufte Auftreten von solchen Merkmalen in bestimmten Gegenden ist eine Folge von Klima-und Lebensbedingungen, die das eine oder andere begünstigen. Hautfarbe oder Haarfarbe sind zwar auffällig, werden aber nur von rund zwölf der etwa 150.000 Erbfaktoren bestimmt und sind gegenüber den Gemeinsamkeiten marginal. Bei fast allen beobachteten Erbfaktoren stellte Cavalli-Sforza fest, daß die Unterschiede zwischen Individuen innerhalb von Bevölkerungsgruppen größer sind als jene zwischen den Gruppen. Ebenso wie die in letzter Zeit wieder zur Sprache gekommene höhere oder niedrigere Intelligenz als „gruppenspezifische” Eigenschaft: Sie ist eine vom gewählten Bezugssystem Kultur abhängige und keine genetisch bedingte Größe.

Die Gene für die Moleküle des Körpers bestehen aus Tausenden oder auch Hunderttausenden Bausteinen (Nukleotiden) und lassen sich wie ein Geschichtsbuch lesen. Man weiß annähernd, mit welcher Geschwindigkeit ihre zufälligen Veränderungen (Mutationen) eintreten. Aus der Größe des gemeinsamen Anteils lassen sich einerseits die genetische Nähe von Individuen oder Gruppen und andererseits die wahrscheinlich ursprüngliche Form bestimmen. In Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen wie Archäologie, Sprachforschung, aber auch Statistik, formt sich ein schlüssiges Bild der Ursachen menschlicher Vielfalt.

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