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Der Souverän - der Wähler

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Angeblich hat keine Partei jetzt Neuwahlen gewünscht, ganz sicher auch der Wähler nicht. Da die Verhandlungen platzten, soll die Entscheidung aber nun er, der „Souverän”, fällen. Trotz Wahlrecht fühlt sich der Wähler gerade jetzt kaum „souverän”. Wem kann er nun zutrauen, den Staatshaushalt zu sanieren, wenn die bisherigen Bemühungen ohnehin so ernst gewesen sein sollen?

Wie soll er entscheiden, wann Sparmaßnahmen gerecht und sozial sind, wenn „wohlerworbene” (oder seinerzeit aus Wahltaktik zu großzügig verteilte) Rechte unantastbar sind? Was er selbst für sozial und (umwelt-)gerecht erachtet, findet er nicht zur Gänze in einer Partei gesichert. Er hat aber nur eine Stimme, und kann schon nicht mehr beeinflussen, welche Koalition seine Partei eingehen wird. Der Wähler ist nicht souverän, eher ohnmächtig.

Wenn schon Parteigranden immer vom Wähler als dem „Souverän” reden, darf dieser auch ein respektvolles Verhalten im Wahlkampferwarten. Vor allem: Ehrlichkeit. Parteien müssen direkt sagen, wofür sie einstehen, und sich nicht nur an Fehlern anderer zu profilieren suchen. Sie müssen mutig eingestehen, daß das Gemeinwohl künftig nur gesichert ist, wenn ein tiefgreifender Umdenkprozeß einsetzt.

Daß ständig wachsender Markt durch suggestiven Anreiz zu Konsum eine Spargesinnung nicht zuläßt. Daß festgefahrene Gruppeninteressen die notwendige Solidarität mit Schwachen verhindern. Daß Gängelung durch Institutionen und Staat das notwendige Maß an Selbstverantwortung nicht aufkommen läßt. Daß engstirniger Nationalismus in Isolation führt und junge Wähler aus Angst um die Zukunft mit Recht nach einer neuen Gesellschaftsordnung rufen. Darf der „Souverän” dazu klare Stellungnahmen erwarten?

Rleibt eine Frage: Wie ernst nehmen die Medien den Wähler? Bringen sie es über sich, ihre „Macht” zu zähmen, ganz der Information zu dienen und nicht der Versuchung zur Manipulation zu erliegen? Wollen sie gedeihliche Politik ermöglichen oder kraft ihrer Einflußmittel diese gleich selber machen? Der Wähler ist nicht souverän. Er trägt aber mit seiner Stimme dazu bei, daß nicht andere „Souveräne” ihn zu sehr beherrschen.

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