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Endlich im Gespräch

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,,Alles ist offen.“

Dieser Kommentar, den Staatssekretär Dr. Steiner nach den Klagenfurter Verhandlungen — übrigens in voller sachlicher Übereinstimmung mit Außenminister Dr. Kreisky — zur Charakterisierung der Lage gab, kann sehr negativ, aber auch sehr positiv verstanden werden.

Offen ist die Frage geblieben, ob es überhaupt zu einer wirklichen sachlichen Annäherung der Standpunkte kommen kann. Österreich hat mit seiner Autonomieforderung für die Provinz Bozen, an der es festhielt und festhalten wird, wie immer diese Forderung im einzelnen und für praktische Verhandlungszwecke formuliert erscheint, keine rein propagandistische Maximallösung angedeutet, bei der man stillschweigend gewisse Abstriche voraussetzen könnte. Italien hat bis jetzt mit keinem Wort zu verstehen gegeben, daß es diese Forderung anerkennen will. Das, was Rom nach wie vor zucgebcn gewillt ist, sind Verwaltungsbefugnisse. keine Gesetzgebungsrechte. Niemand kann heute konkret sagen, auf welche Weise sich diese italienische Grundsatzhaltung, die mit der Österreichs unvereinbar bleibt, in den knappen vier Wochen ändern sollte, die zwischen der Unterbrechung des Klagenfurter Gesprächs und den wahrscheinlich in Zürich anberaumten neuen Verhandlungstagen liegen. Die zur Zeit im Gespräch stehenden Beamten beider Länder sind Juristen und Fachleute, die zu klären und zu formulieren, nicht aber zu verhandeln oder gar zu entscheiden haben.

Offen, zumindest offener als in den Wintertagen von Mailand, ist aber auch das Gespräch zwischen den beiden Delegationen geworden. Äußerlichkeiten und gesellschaftliche Höflichkeit interessieren uns dabei weniger als die Tatsache, daß Italien den Standpunkt Österreichs zumindest als eine ernst zu nehmende Position anerkennt und ihn stillschweigend als Ausgangsbasis des Partners respektiert. Das ist mehr als nur eine Formsache. Die Chance eines Gesprächs ist damit gegeben. Und es ist zu hoffen, daß dieses Gespräch auch in Zürich die Grundlage bleibt, selbst wenn sich beide Parteien darüber einigen sollten, nicht einig zu sein. Auch die Anrufung einer schiedsrichterlichen Instanz ist ja nur sinnvoll, wenn beide Streitpartner imstande sind, die eigentlichen Differenzpunikte herauszuarbeiten und einem gemeinsam anerkannten Dritten zur Stellungnahme vorzulegen. Dies zu erhoffen, scheint uns nicht ganz abwegig zu sein.

Eines allerdings könnte alles zerstören und dem eben begonnenen Gespräch die Basis entziehen: die Verabschiedung des da und dort in Rom bereits sehr bedrohlich diskutierten Staatsbürgerschaftsgesetzes, das die Ausbürgerung Mißliebiger ermöglichen sollte. Ein solcher bislang nur in Diktaturstaaten üblicher Eingriff der Verwaltung und Exekutive in die Freiheitsrechte würde der italienischen Delegation das moralische Mandat entziehen. Und auch uns bliebe dann nur jener Protest- und Klageweg zur UNO übrig, den wir vermeiden wollen.

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