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Familienberater Rogge: Wegweiser statt Zäunen

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Richtig gesetzte Grenzen geben Kindern Halt, bieten ihnen Orientierungshilfen. Zu eng gezogene Grenzzäune sind entwicklungshemmend. Fehlende Grenzen machen unsicher, aggressiv. Kinder brauchen also Grenzen.

Doch nichts in der Erziehung scheint schwieriger zu sein, als dieses „Grenzen setzen“. Der deutsche Familienberater Jan-Uwe Rogge behandelte wichtige Fragen bei einem Vortrag des Katholischen Bildungswerkes Salzburg: Wie können Eltern, oder andere „pädagogisch Tätige“ ihren Schutzbefohlenen Geborgenheit bieten? Wie können sie „Leitschienen“ aufstellen, ohne starre entmündigende und entwürdigende Ge- und Verbote zu exekutieren?

Jan-Uwe Rogge ist ein begnadeter Vortragender. Wenn er anhebt, zu schildern, wie der vierjährige Tim seine Mutter dazu bringt, vier verschiedene Getränkepackungen zu öffnen, um nach einem winzigen Schluck grinsend die Küche zu verlassen, sind die Lacher auf seiner Seite. Dabei fällt auf, daß Rogge oft sehr genau zu beobachten scheint, aus welcher Richtung die lautesten Heiterkeitsausbrü che kommen. Ortet er „Opfer“, die sich und ihre verlorene Position gegenüber einem kleinen Quälgeist wiedererkennen?

„Wagen“ es auch andere Mütter/Väter nicht, einmal deutlich ihre Meinung oder ihre Kritik an kindlichen Verhaltensweisen zu äußern? Ist für die Sitznachbarin der Begriff „Grenze“ genauso negativ besetzt, wie für die Mutter, von der Rogge gerade erzählt? Bin ich etwa nicht allein mit dem zwingenden Gedanken, „Ich will nicht wie mein Vater sein“? Leiden demnach auch andere lieber unter den Launen der Nachkommenschaft, als einmal klar zu artikulieren „Jetzt ist aber Schluß“? Rogge versteht es, seine Zuhörer an ihrem „Lebensnerv“ zu treffen.

Dabei macht er Eltern ohne viel analytischen Aufhebens Mut, zur eigenen Lebens- und Kindheitsgeschichte und ihren daraus entwickelten Störungen und Schwächen zu stehen: „Die eigenen Kinder sind nicht dazu da, sich selbst zu therapieren!“ Mit dieser eindringlichen Mahnung warnt Rogge davor, „im Kind vor mir gutmachen zu wollen, was im Kind in mir verletzt worden ist“.

Rogge zeigt auch deutlich, was Eltern, die es nicht wagen, ihren Sprößlingen Grenzen zu setzen, diesen damit antun können: Sie berauben die Kinder nicht nur des Gefühls der Geborgenheit und Sicherheit; der „Koordinaten“ zur Orientierung in einer komplexen Welt. Sie enthalten ihnen auch die Gelegenheit vor, ihre persönlichen Grenzen kennen und überwinden zu lernen.

„Grenzkonflikte“, Machtkämpfe mit Kinder sind aufreibend, gesteht sogar Rogge. Jede „Grenzüberschreitung“ ist aber auch Zeichen für einen weiteren positiven Entwicklungsschritt des Kindes.

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