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Fastenzeit

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Die 40tägige Fastenzeit, die mit dem Aschermittwoch beginnt, ist nicht nur eine wichtige und heilige Zeit des Kirchenjahres, sondern sollte im Leben aller Menschen, die nicht bloß in den Tag hineinleben, eine Zeit der Besinnung und des Innehaltens sein.

Der Begriff des Fastens ist auch nicht nur auf die Zurückhaltung beim Essen und Trinken zu beschränken, so heilsam auch die Askese gerade in diesen Bereichen für Körper und Seele ist. Es gibt auch ein Fasten der Augen, das uns abhält, jeder Anregung und Ablenkung, die von außen kommt, nachzugeben, sondern mehr von innen her zu leben.

Auch von einem Fasten der Zunge sollte man reden, um es in weiterer Folge auch zu üben. Diese Form der Askese bezieht sich nicht nur auf Tratschsucht und überflüssiges Geplauder, sondern auch auf die politische Polemik, die in Osterreich gerade in der letzten Zeit allseits bedenkliche Formen der Gereiztheit und Aggressivität angenommen hat.

Da der Mensch bekanntlich in Gedanken, Worten und Werken sündigt, muß den Worten, die eine Mittelstellung zwischen den flüchtigen Gedanken und den dauerhaften Werken und Taten einnehmen, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die politische Sprache ist ein Teil der politischen Kultur und diese wiederum des gesellschaftlichen Nährbodens, aus dem Politiker und Politik hervorgehen.

Zu den Grundregeln im politischen Diskurs gehört das Gebot der Fairneß, die Bereitschaft, auf den anderen hinzuhören, und nicht umgekehrt die Neigung, jemandem das Wort im Mund umzudrehen oder aus jedem unbedachten Wort einen Strick zu drehen. Voraussetzung dieser Fairneß ist, eine fremde Aussage nicht überzuinterpretieren oder gar mit glatten Unterstellungen zu operieren.

So sind dem Bundespräsidenten jüngst Aussagen verübelt worden, die er in dieser Form gar nicht gemacht hat. Wortverdrehung und Wortklauberei können zu Formen der politischen Brunnenvergiftung werden. Es hat wenig Sinn, die Verwilderung der Sprache zu beklagen und bessere verbale Umgangsformen einzumahnen, wenn man nicht selbst bereit ist, sparsam mit kränkenden Worten umzugehen,und wenn man, wie jüngst in einer Belangsendung der Grünen, nicht einmal vor einer Verhöhnung von Staatssymbolen zurückschreckt.

Das altrömische „Fa vete linguis!” sollte daher eine der Maximen dieser Fastenzeit inmitten politisch bewegter Zeitläufte sein.

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