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Gedanken zur zweiten Kammer

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Der gegenwärtige Versuch, den Bundesrat durch ein verstärktes Mitsprache- und Einspruchsrecht aufzuwerten und in den Gesetzgebungsprozeß schon vor der Befassung nach der Verabschiedung eines Gesetzes im Nationalrat einzubinden, stellt einen Anlauf dar, die zweite Kammer des österreichischen Parlamentes, die im Vergleich zu anderen zweiten Kammern vergleichbarer Staaten ein Schattendasein führt, mit erweiterten Befugnissen auszustatten.

Bisher sind die Versuche, die zweite Kammer als echte Länderkammer fungieren zu lassen, an den geringen Kompetenzen und an den übergreifenden Parteienwirklichkeiten, die es nie zu einer echten Kraftprobe kommen ließen, gescheitert.

Im Rahmen der Bundesstaatsreform, die durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union aktualisiert wurde, steht auch das Problem des Bundesrates zur Reform an, der Mediatisierung der Verfassungsbestimmungen durch Parteien und Verbände tritt nun die durch die Teilabgabe unserer Souveränität als Gesamtstaat zur Seite.

Es hat schon Stimmen gegeben, die die totale Abschaffung des Bundesrates und den Übergang zu einem Einkammersystem verlangt haben. Ein solcher Schritt würde jedoch an dem Baugesetz des Föderalismus, der neben dem demokratischen und republikanischen Prinzip zu den tragenden Säulen unserer Verfassungsordnung gehört, rütteln und wäre wohl einer Volksabstimmung zu unterwerfen.

Ein entscheidender Schritt in die andere Richtung ist unter den gegebenen inneren und äußeren Bedingungen wohl auch nicht zu erwarten, aber eine kleine Reform wie die jetzt geplante ist immerhin eine Änderung, die sich organisch in einen Prozeß der kleinen Schritte zum Umbau unseres Verfassungssystems einfügt.

Eine echte Aufwertung des österreichischen Bundesrates könnte auch darin bestehen, daß die Parteien von der bisher vielfach geübten Praxis weggehen, entweder Neulinge in den Bundesrat zu entsenden und diesen damit zu einer politischen Gehschule zu degradieren oder die zweite Kammer als Austragsstüb-chen für ausgediente Funktionäre zu verwenden.

Die Zufuhr erstrangiger Per-sönlichkeiten mit voller Aktivität könnte dem Bundesrat jene Impulse geben, deren er bedarf, um seine ihm zugedachte Funktion wirklich zu erfüllen.

Diese müßte sich weder in der einer Länderkammer noch in der alternativen Möglichkeit eines Ständerates erschöpfen, sondern könnte durch eine Erweiterung nach allen Richtungen zu einer Verlebendigung unseres parlamentarischen Systems beitragen, mit dem unsere Demokratie steht und fällt.

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