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Harmonie: wie lange?

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Wie lange die Harmonie der politischen Ehe CDU-FDP dauern wird, ist schwer vorauszusagen. Je größer der Einfluß der FDP wird, desto problematischer kann sich innerhalb der CDU das Mißtrauen gestalten, mit dem ihr linker Gewerkschaftsflügel, der mit Arbeitsminister Blank nicht trachtet werden. Es bedeutet aber auch viel gegenüber der SPD, deren junge Kräfte sich entweder in der viel weniger beachteten Landespolitik oder in der Nerven und Kraft verzehrenden Rolle der Opposition schwer tun, sich durchzusetzen. Mendes junge Mannschaft im Bundeskabinett, Finanz-minister Starke, Justizminister Stammberge r, Schatzminister Lenz und Minister M i s c h n i k, hingegen kann sich in der Verantwortung bewähren. Eine gewisse, von jugendlichem Übereifer diktierte Popularitätssucht, wie sie etwa in dem wenig glücklichen und einem liberalen Justizminister auch nicht gut anstehenden Antrag Stammbergers, die Strafgrenze für Alkohol bei Autofahrern bei 0,8 Promille anzusetzen, in Erscheinung traten, mögen Anfangserscheinungen sein. Sie wurden auch in Stuttgart mit leichter Skepsis beurteilt. Wieweit das die von Mende gemachten Anfangsfehler wiedergutmachen kann, bleibt abzuwarten. Obwohl ihm persönlich das Außenministerium und seiner Partei das Innenministerium angeboten war und ihm so der Weg in den inneren Bezirk der Macht offenstand, die ein Finanzminister nur in der Rolle eines Gerichtsvollziehers zu betreten vermag, beschränkte sich die FDP auf dieses unpopuläre Ministerium und vier relativ unwichtige Ministerposten. Die CDU/CSU-Minister sehen bisher dem Treiben ihrer jungen FDP-Kollegen mit jenem distanzierten Wohlwollen zu, das würdige Ordinarien jungen Privatdozenten entgegenzubringen geneigt sind. glücklich im Kabinett vertreten ist, die neue, ihr nicht sympathische Koalition betrachtet. Diese unter Adenauer sicher zu einem Ausgleich zu bringenden Gegensätze können, wenn die Nachfolgefrage akut wird, an Gewicht gewinnen, zumal dann auch die FDP in ihrer jetzigen Stellung dabei ein gewichtiges Wort wird mitreden können. Viel wird für die FDP auch davon abhängen, wieweit es ihr gelingt, die CDU/CSU am Koalitionsvertrag festzuhalten. Eine erste Bewährungsprobe bringt schon die allernächste Zeit, wo es sich entscheiden muß, ob die FDP die von ihr geforderten und im Koalitionsvertrag auch zugesprochenen fünf Staatssekretäre erhält, die ihr einzuräumen Adenauer und die CDU/CSU wenig gesonnen zu sein scheinen.

Man darf diese Forderung nicht als Prestigefrage und noch weniger als Pöstchenjägerei abtun. Es geht der FDP auch hier darum, junge Nachwuchskräfte in die Verantwortung zu bringen. Gelingt ihr dies und kann sie dabei auch überzeugen und Pannen vermeiden, so kann es sein, daß sie sich ihren Wahlsieg vom September 1961, der ja eigentlich dem Erhard-Flügel der CDU galt, noch nachträglich zu eigen macht. Die Ausbildung von geeigneten Führungskräften kann für eine kleine Partei, insbesondere in einer Zeit, in der sich die ideologischen Gegensätze abschleifen, wichtiger sein, als ein problematisches Parteiprogramm zu entwerfen.

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