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Hilfe für mißbrauchte Kinder

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Martina Fasslabend, Vizepräsidentin des Vereins "Die Möwe", über Gewalt gegen Kinder.

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Martina Fasslabend, Vizepräsidentin des Vereins "Die Möwe", über Gewalt gegen Kinder.

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DIE FURCHE: Worin sehen Sie die Aufgaben des Vereins?

Martina Fasslabend: Unser zentrales Anliegen ist der Schutz des Kindes. Sexueller Mißbrauch, Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, aber auch Vernachlässigung sollen verhindert werden. Wenn es bereits Übergriffe gegeben hat, so versuchen wir, durch gezielte Beratung und Therapie den Kindern zu helfen. Das Thema „Mißbrauch" muß enttabuisiert werden. 90 Prozent der Fälle von Mißbrauch finden in der Familie statt. Wir wissen, daß die meisten Täter selbst in ihrer Kindheit und Jugend geschädigt wurden. Eine Sensibilisierung und Bewußtseinsbildung der Öffentlichkeit für dieses Thema ist wichtig. Wir versuchen daher, durch öffentliche Veranstaltungen und gezielte Medienarbeit entsprechende Aufklärungsarbeit zu leisten. Nur so kann Gewalt gegen Kinder und Gewalt in den Familien verhindert und enttabuisiert werden.

DIE FURCHE: Welche Maßnahmen gibt es seitens der „Möwe"?

Fasslabend: Wir veranstalten Vorträge und Beratungen an Schulen für Lehrer und Eltern und bieten Supervision für professionelle Helfer im psychosozialen Bereich an. Außerdem arbeiten wir daran, die intensive Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen, öffentlichen Institutionen und involvierten Berufsgruppen zu verstärken und auszubauen, um Ressourcen sinnvoll nutzen zu können.

DIE FURCHE: Die Nachfrage nach Institutionen wie dieser ist steigend?

Fasslabend: Ja, absolut. Früher waren betroffene Menschen in ihrer problematischen Lebenssituation hilflos, es blieb meist nur der Weg zur Polizei. Wenn es heute anonym und kostenlos arbeitende Beratungsstellen wie die „Möwe" gibt, so wächst auch die Bereitschaft, sich helfen zu lassen.

DIE FURCHE: Haben von sexuellem Mißbrauch betroffene Menschen nicht nach wie vor Hemmungen, sich therapeutisch helfen zu lassen?

Fasslabend: Ja, natürlich. Kinder kommen meist erst in der Pubertät, also ab 14 Jahren zu uns, das heißt erst dann, wenn sie eine gewisse eigene Persönlichkeit entwickelt haben. Vorher ist das emotionale Abhängigkeitsverhältnis zum Elternhaus zu groß. Es ist uns auch ein Anliegen, Mütter zum Kommen zu bewegen, denn ihre Unterstützung ist immer wichtig. Die Rolle der Mütter ist bei diesen Problemen aber alles andere als einfach. Sie stehen zu ihrem Ehepartner in einem großen Abhängigkeitsverhältnis und sind auch emotional und finanziell an ihren Partner gebunden. Schließlich hat die Frau ja auch mit gewissen Konsequenzen zu rechnen, wenn sie den ersten Schritt aus der Isolation ihres Problems tut. Wenn ihre Ehe „draufgeht", so steht sie oft vor der Unmöglichkeit, sich selbst wieder eine eigene Existenz aufzubauen.

Das Gespräch führte Angela Thiery

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