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Hilflose Helferinnen
Der Ausbruch einer psychischen Krankheit erschüttert des Selbstwertgefühls der Betroffenen meist sehr schwer. Ein stationärer Aufenthalt in der Psychiatrie ist nicht selten verbunden mit Kontaktverlust und Rückzug, denn unsere Gesellschaft stigmatisiert und diskriminiert psychisch kranke Menschen nach wie vor.
Der Verein „Pro Mente” beispielsweise hat es sich seit nunmehr 30 Jahren zur Aufgabe gemacht, den Betroffenen und ihren Angehörigen Basis-betreuung und weiterführende Begleitung zu geben. So hat Pro Mente Wien rund 5.000 Menschen auf den Weg von der Psychiatrie nach Hause begleitet und unterstützt. Durch das „Sparpaket” wurde der Geldhahn (in Form von Subventionen) fast abgedreht, was für alle Beteiligten, vor allem aber für diejenigen, die Hilfe brauchen, eine kleine bis mittlere Katastrophe sein könnte. Wird hier auf der falschen Seite gespart?
Elisabeth Muschik, Geschäftsführerin von „Pro Mente” und Psychotherapeutin, stellt genervt fest, daß der Kampf gegen das drohende Aus für den Verein in der täglichen Arbeit derart viel Energie kostet, daß man fast von einem Aushungern der sozialen Arbeit sprechen kann. Auf der einen Seite gebe es ein Ansteigen von Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und sozialem Abstieg.
Auf der anderen Seite werden die finanziellen Mittel immer rarer. So könne man wohl kaum mehr von zukunftsorientierten Maßnahmen im Sozialbereich sprechen, meint die Therapeutin. In ihrer Organisation gehe es heute fast nur noch darum, sich von einer Finanzkrise in die andere hinüberzuretten, klagt sie. Dabei braucht aber gerade die Arbeit im psychotherapeutischen Bereich viel Kontinuität und Zeit, um den Patienten in die Lage zu versetzen, eine wirklich tragfähige Beziehung zu seinem Therapeuten aufzubauen.
Dabei heißt es doch immer wieder, Sozialberufen gehört die Zukunft? „Sozialberufe sind heute sicher eine zukunftsorientierte Berufsgruppe”, bestätigt auch Frau Muschik. Das sollte von den Politikern nicht übersehen werden.
In Österreich gibt es unendlich viele alte und auch pflegebedürftige Menschen. Es scheint aber, daß das soziale Prestige von Berufen, die sich mit Alter, Armut, Verwahrlosung und Behinderung (einschließlich der psychischen Beeinträchtigungen) beschäftigen, nicht besonders hoch ist. Hier sieht die Psychotherapeutin eine gewisse Schizophrenie unserer Gesellschaft. Menschen, die keine Leistung mehr erbringen, werden gerne in den Abstellwinkel gestellt.
Parallel dazu die Menschen, die sich mit ihnen beschäftigen: „Es macht sich einerseits eine starke Individualisierung, auf der anderen Seite aber viel Entsolidarisierung breit. Das ist gefährlich.”
Ein zweites Problem liege darin, daß es auch innerhalb des Sozialbereichs ein starkes Gefälle gibt: „Ich sage das ohne Neid auf andere Einrichtungen. Aber beispielsweise für krebskranke Kinder zu spenden oder sich einzusetzen, hat ein viel höheres soziales Prestige zur Folge, als wenn man sich zum Beispiel für Haftentlassene oder Psychiatrie-Patienten kümmert”. Hier sieht Muschik ein wachsendes Konfliktpotential.
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