Identitätspolitik: Mit „richtiger Gesinnung“ gegen die Klimakrise?

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Identitätspolitische Konflikte und Lagerdenken drohen die überfällige Umsetzung sinnvoller Klimapolitik zu verhindern. Denn dafür braucht es die demokratische Beteiligung aller. Ein Gastkommentar.

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Identitätspolitische Konflikte und Lagerdenken drohen die überfällige Umsetzung sinnvoller Klimapolitik zu verhindern. Denn dafür braucht es die demokratische Beteiligung aller. Ein Gastkommentar.

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Es gibt ein Leben im Falschen, und wir führen es. Unsere verschwenderische Konsumgesellschaft bringt kommende Generationen um ihre Existenz. Unser Wirtschaftssystem ignoriert ökologische und soziale Folgekosten mit fatalen Folgen. Die Klimakrise und damit einhergehende ökologische Katastrophen nahen nicht, sie sind Realität. Die Warnungen des jüngsten Weltklimaberichts könnten dramatischer nicht sein.

Über Jahre haben wir uns eingeredet, das Individuum könne alleine durch nachhaltigen Konsum die Welt zum Besseren wenden. Das passt gut zur wirtschaftsliberalen Logik und ihrem Fetisch des „freien“ Marktes, den es um jeden Preis zu verteidigen gilt. Wer es sich leisten kann, kauft heute Bio und Fairtrade, wechselt vom Verbrenner zum Elektroauto und kompensiert Flugmeilen in einer modernen Form des Ablasshandels. Schnell läuft so mancher Gefahr, daraus ein Gefühl der Überlegenheit abzuleiten und seinen Lebensstil als soziales Distinktionsmerkmal zu missbrauchen.

Sahra Wagenknecht, eines der prominentesten Mitglieder der deutschen Linkspartei, kritisiert in ihrem jüngsten Buch „Die Selbstgerechten“ diese Einstellung von „Lifestyle-Linken“. Ihnen seien, so Wagenknecht, Fragen des „Lebensstils, des Konsumverhaltens und moralische Haltungsnoten“ wichtiger als „soziale und politökonomische Probleme“.

Nachhaltiges Misstrauen

Der Kampf gegen die Klimakrise, da hat Wagenknecht recht, lässt sich nicht über die „richtige Gesinnung“, das Tragen von Turnschuhen aus Kaktusleder und das Verzehren von veganen Burgern gewinnen. Im Gegenteil, es besteht die Gefahr, dass identitätspolitische Konflikte auch in Europa, nicht nur in den USA, die Umsetzung sinnvoller Klimapolitik verhindern.

Viele Menschen sind zu Recht misstrauisch geworden. Das letzte große Experiment, welches ihnen von selbstgerechten Eliten „verkauft“ wurde, ist ziemlich schiefgegangen. Unter dem Titel „Globalisierung“ wurden in einer von der Realwirtschaft entkoppelten Finanzblase enorme Vermögen angehäuft, während die Löhne unterer Einkommensschichten stagnierten und die Ungleichheit anstieg. Das Mantra des freien Marktes galt so lange, bis die Steuerzahler in der Finanzkrise 2009 den Banken („too big to fail“) zu Hilfe eilen mussten. Für diese Krise zahlen wir bis heute.

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