"Islam-Landkarte": Viele religionsrechtliche Fragen
Die umstrittene „Islam-Landkarte“ berührt in zentralen Punkten das Religionsrecht – vom Gleichheitsgrundsatz bis zur Frage der Befreiung von der Beobachtung durch die Sektenstelle. Ein Gastkommentar.
Die umstrittene „Islam-Landkarte“ berührt in zentralen Punkten das Religionsrecht – vom Gleichheitsgrundsatz bis zur Frage der Befreiung von der Beobachtung durch die Sektenstelle. Ein Gastkommentar.
In den letzten Tagen war ein Erdbeben spürbar: Eine schon länger bestehende „Islam-Landkarte“ dokumentiert die Tätigkeit muslimischer Einrichtungen in Österreich. Jüngst wurde die Landkarte im Wege öffentlicher Präsentation bekanntgemacht, autorisiert durch die „Dokumentationsstelle Politischer Islam“. Nicht zuletzt auf rechtlicher Ebene hat sich konkreter Widerspruch bemerkbar gemacht. So lasse das Vereinsgesetz grundsätzlich keine Sammelabfragen zu – und dies auch dann, wenn die betreffenden Daten öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Nicht wenige Funktionärinnen und Funktionäre islamischer Institutionen finden dort ihre Privatadressen veröffentlicht. Tatsächlich wurden an der Landkarte zuletzt einige Veränderungen der Tektonik vorgenommen, die drohende Nachbeben in Grenzen halten sollen.
Doch auch aus religionsrechtlicher Sicht ergeben sich Fragestellungen. Die auf der Landkarte dargestellten Einrichtungen sind in den wohl meisten Fällen mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) in Verbindung zu bringen, und diese ist eine gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft. Gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften kommen zahlreiche Begünstigungen zu. Ihre „inneren Angelegenheiten“ – die Reichweite dieses Begriffs ist umstritten – können sie autonom erledigen, schulischen Religionsunterricht können sie grundsätzlich in staatlich finanzierter Form abhalten, es existieren zahlreiche steuerrechtliche Vorteile und auch im Bereich des Privatschulwesens sind die Privilegien beträchtlich. Die Aufzählung ist bei weitem nicht abschließend. So sind gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaften auch vom Beobachtungsbereich der Bundessektenstelle befreit.
Erfahrene Ungleichbehandlung
Ob diese Vorteile sachlich gerechtfertigt sind, bildet den Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Sachliche Rechtfertigungen sind im Wesentlichen am Gleichheitsgrundsatz zu messen. Einigkeit besteht darüber, dass aus diesem auch die Gleichbehandlung gesetzlich anerkannter Religionsgemeinschaften abzuleiten ist. Wie in den letzten Jahren üblich erhält die IGGÖ Zuspruch von einer Seite, auf der man schon vor geraumer Zeit Etappen der Ungleichbehandlung hinter sich gebracht hat: Der evangelische Bischof Michael Chalupka hat mehrere Aspekte der Islam-Landkarte moniert. Er übt Kritik daran, dass mit keiner der beiden gesetzlich anerkannten islamischen Religionsgemeinschaften ein Gespräch über die Landkarte geführt worden sei. Die Evangelische Kirche würde sich „eine Landkarte verbieten, in der ihre Einrichtungen oder gar Einrichtungen, die mit ihr nichts zu tun haben, vom Staat in die Öffentlichkeit gebracht werden“.
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