Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Kirchenvolksbegehren
Aus Innsbruck kommt der Aufruf zu einem Volksbegehren (Furche 17/1995) für eine „längst überfällige Reform der Kirche”. Hauptziele sind: Abschaffung des Zölibates, Zulassung der Frau zum Priesteramt, mehr Demokratisierung der Kirche, positive Bewertung der Sexualität. Die einzelnen Ziele sind diskussionswürdig und für die Kirche wichtig. Sie aber gebündelt zu fordern führt kaum zur angestrebten Erneuerung.
Erstens: Was hier begehrt wird, sind „heiße Eisen”, oftmals auch von den Massenmedien kolportiert. Eine grundlegende Erneuerung der Kirche müßte tiefer ansetzen. Sie
müßte auf den Geist des Evangeliums zurückgehen und aus ihm den Menschen einen „neuen Weg” zu leben weisen, sie trösten und in ihren Leiden „heilen”, sie zur „Umkehr” bewegen und ihnen den Weg zu Gott wieder eröffnen.
Zweitens: Was hier begehrt wird, geht an dem vorbei, was Menschen von der Kirche erwarten: nicht Struktur- und Moralfragen, sondern Antwort auf ihre Gottesfrage. Wie an Gott glauben angesichts von so viel Leid? Wie kann Liebe besser gelingen und Versöhnung? Woher kommt die Kraft, die „Welt” trotz allem erlebbaren Bösen dennoch positiv zu verändern? Was kommt
nach dem unerbittlichen Los des Todes?
Drittens: Forderungen von unterschiedlicher Gewichtigkeit und Durchsetzbarkeit in einem aufzustellen, ist taktisch unklug, weil dann vermutlich keines der Anliegen verwirklicht werden kann. Ein Protest dieser Art gibt noch dazu extrem konservativen Kreisen ein willkommenes Argument für ihre Meinung, wer von Erneuerung der Kirche spricht, schüre eigentlich nur den Aufstand und möchte die Kirche gegen alle Tradition verändern.
Viertens: Der Innsbrucker Bischof Reinhold Stecher wird nächstes Jahr
75. Er hat, die „Hofübergabe” vorbildlich ordnend, in Rom Namen von möglichen Nachfolgern deponiert, die hohe Akzeptanz im Diöze-sanvolk haben. Meint man aber nun in Rom, das Volksbegehren gäbe die Meinung des ganzen Diözesanvolkes wieder, so geraten diese Kandidaten in Verdacht, auch einseitig die genannten Probleme als Wichtigstes für die Kirche heute zu erachten.
Der Zugang zur eigentlichen Botschaft Christi wird heute vielen durch manche Gegebenheiten in der katholischen Kirche erschwert. Die Art dieses Volksbegehrens macht diesen Zugang aber sicher niemanden leichter.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!