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Laßt ab vom Prestigedenken!
Nach dem 17. Dezember wird den Akteuren ein extrem hohes Maß an Verantwortung abverlangt werden.
Nach dem 17. Dezember wird den Akteuren ein extrem hohes Maß an Verantwortung abverlangt werden.
Was könnte der Bundespräsident den Handelnden auf der politischen Bühne nach dem Entscheid vom Wahlsonntag sagen? Viele Beobachter meinen, daß er jenen Appell an das Verantwortungsbewußtsein der Hauptakteure wird richten müssen, den er schon vehement vor dem Zerfall der großen Koalition hätte geben sollen. „Herrschaften", könnte der direkt vom Volk Gewählte sagen, „wir sind in einer Situation, in der ihr die Kraft haben müßt, jedes Prestigedenken abzulegen. Ihr seid jetzt gefordert, es geht um unser Land, ihr steht im Dienste der Bürger. Laßt alles Prestigedenken, alle Eifersucht weg. Es muß weitergehen, auch wenn es den Anschein hat, daß ihr nicht mehr miteinander könnt." Übrigens hat das die Furche in einem Kommentar vor der Koalitionsscheidung schon deutlich eingemahnt: „Zeigt Führungsstärke!" (furche 40/1995). Bundespräsident Klestil darf angesichts der zu erwartenden Situation (siehe Seite 2) nicht einfach den Stärksten mit der Begierungsbildung beauftragen, sondern muß gleich dazusagen, was er sich erwartet und was die Bürger dieses Landes erwarten. Er muß Bichtlinien vorgeben, die es ermöglichen, daß Österreich seinen europäischen Integrationsweg fortsetzen kann. Darum kommt niemand mehr herum. Auch darum nicht, daß notwendige Beformen ausgewogen, gerecht, sozial verträglich und nicht nur blind auf die Gleichung „gutes Wirtschaften ist automatisch gute Sozialpolitik" vertrauend durchgeführt werden. Klestil wird darauf zu achten haben, daß eine Begierungserklärung zustandekommt, ein Begierungsprogramm, in dem der Zusammenfall von Gegensätzen - Schüssel: Kein Stein bleibt auf dem anderen, Vranitzky: Ich werde dafür sorgen, daß Einschnitte nicht so weh tun - möglich wird. Durch den Wahlkampf ist das, was vorher schon zerschlagen wurde, nicht leichter kittbar geworden.
Der Bundespräsident muß die Parteien dazu anhalten, nachgeben zu können, kompromißbereit zu sein. Wer wird auf ihn hören? Es geht - Stichwort: Sparen - ja momentan nicht mehr um Beiträge der Begierung zur Popularität der jeweiligen Partei. Die Minister der künftigen Begierung werden, auch das ist etwas, das der Bundespräsident besonders eindringlich hervorheben sollte, den Stellenwert der Ministerverantwortlichkeit, der verlorengegangen zu sein scheint, wieder deutlich zu beachten haben. Jeder Bes-sortleiter wird und muß wissen, wo für seinen Bereich der Sparstift anzusetzen ist. Der Begierungschef wird das beinhart einfordern müssen.
Verwalten kann auch ein Beamter, aber politisch entscheiden muß der jeweilige Minister. Das hat man in Österreich verlernt, weil sich Minister nicht selten als oberste Geschenkegeber verstanden. Indem der Bundespräsident das anspricht und auch öffentlich thematisiert, leistet er einen unersetzlichen Beitrag zur Neugestaltung unserer Demokratie.
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