Leihmutterschaft: Durch Ausbeutung zur Gleichstellung?

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Die EU-Kommission will die grenzüberschreitende Anerkennung von Elternschaft sichern. Doch die implizite Anerkennung von Leihmutterschaft verstößt gegen die Menschenwürde. Ein Gastkommentar.

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Die EU-Kommission will die grenzüberschreitende Anerkennung von Elternschaft sichern. Doch die implizite Anerkennung von Leihmutterschaft verstößt gegen die Menschenwürde. Ein Gastkommentar.

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Ein schöner Schein in jeder Hinsicht erschien am 7. Dezember 2022. Die EU-Kommission veröffentlichte einen Vorschlag zur Regulierung und Anerkennung grenzüberschreitender Elternschaft. Das Papier verfolgt zwei Ziele:

  1. Das Verstärken des Schutzes fundamentaler Rechte und anderer Rechte von Kindern in grenzüberschreitenden Situationen.
  2. Das Stärken der 2020 beschlossenen Strategie zur Gleichstellung von LGBTIQ-Personen.

Wer die Entwicklungen verfolgt, wird freilich misstrauisch. Wer weiter liest und die Folgenabschätzung des Vorschlags der Kommission bis Seite 97 durchackert, erfährt es schwarz auf weiß: Die Kommission will nicht nur Unterhalt und familienrechtliche Ansprüche der Kinder sichern und alle Familienkonstellationen anerkennen. Sie will ausdrücklich auch Elternschaft durch Leihmutterschaft anerkennen. Und zwar in jedem Land, egal, ob dies dort verboten ist – wie in Österreich oder in Deutschland.

Die Strategie mit dem schönen Schein ist perfide. Wer will schon gegen Gleichstellung auftreten? Oder Kinderrechte schwächen? Vorsorglich werden in dem Papier zudem die Kritiker(innen) gleich in die Traditionalisten-Schublade verfrachtet. Dabei gehören zu den profundesten Kritiker(inne)n von Leihmutterschaft jene Feministinnen der ersten Generation, die sich selbst als „radikal“ bezeichnen. Es gilt, auch die Marktmechanismen zu sehen. Bis vor Kurzem boomte Leihmutterschaft in der Ukraine, nun tut sie das in Griechenland, vermehrt floriert sie auch in Mexiko und in afrikanischen Ländern. Viele benachteiligte Frauen plus Armut – das ergibt viele Leihmütter!

Selektiv gelesene Kinderrechtskonvention

Regenbogenfamilien sollen weder diskriminiert noch benachteiligt werden. Gleichstellung kann aber nicht durch Verletzung von Menschenrechten erreicht werden. Denn unabhängig davon, wer eine Leihmutter mieten will – ob hetero- oder homosexuell: Mit dieser Methode werden Kinder- und Frauenrechte grenzüberschreitend missachtet.

In dem EU-Papier werden selektiv einige Kinderrechte angeführt, die es zu stärken gelte. Ausgerechnet Artikel 35 der Kinderrechtskonvention (KRK) wird aber verschwiegen: „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten innerstaatlichen, zweiseitigen und mehrseitigen Maßnahmen, um die Entführung und den Verkauf von Kindern sowie den Handel mit Kindern zu irgendeinem Zweck und in irgendeiner Form zu verhindern.“

In den allermeisten Fällen fließt Geld bei Leihmutterschaft. Die Leihmutter erhält ihren Haupt-Anteil in der Regel erst dann, wenn sie ein gesundes Kind ausgetragen hat. Die Agenturen bieten den Kinderwunschpaaren 100-Prozent-Garantien an, Pauschalen und Flat-Rate-Packages. Würde Artikel 35 der KRK ernst genommen, müsste Leihmutterschaft international verboten werden. Kinder dürfen keine Ware sein. Durch Leihmutterschaft werden sie aber in diese Situation gebracht.

Ob hetero- oder homosexuell: Durch Leihmutterschaft werden Kinder- und Frauenrechte missachtet.

Wem nützt diese Strategie, ist hier zu fragen. Sie dient allein den Interessen von Erwachsenen! Jenen, die Milliarden-Geschäfte mit Leihmutterschaft machen und die – verständliche - Sehnsucht nach einem Kind ausnutzen. Weiters jenen, die meinen, der Wunsch nach einem Kind begründe auch ein Recht auf ein Kind. Ausgeblendet werden die Leiden, die den Kindern zugemutet werden und die Leiden der Frauen, für die sich nur wenige interessieren, nachdem sie das Kind geliefert haben.

Für eine Leihmutterschaft werden sehr häufig fremde Eizellen verwendet. Das Kind hat also eine genetische Mutter (Eizellspenderin) und eine austragende Mutter (Mietmutter). Für die Mietmutter bedeutet das: Sie ist eine Hochrisiko-Patientin durch die Schwangerschaft mit einer fremden Eizelle. Dadurch und auch wegen der vorangegangenen In-vitro-Fertilisation kommt es vermehrt zu Komplikationen wie Bluthochdruck, Präeklampsie, Fehl- und Frühgeburten. Ist das Kind behindert, so ist die Leihmutter meist zur Abtreibung gezwungen oder setzt sich dem Risiko aus, dass die bestellenden Eltern das Kind nicht abholen.

Vermiedene Bindung zum Baby im Bauch

All das bereitet den Müttern Stress. Dass sich Angst und Stress über Hormone auf das vorgeburtliche Kind auswirken, ist mittlerweile unumstritten. Im Fall der Leihmütter wird dieser Stress völlig ausgeblendet.

Kinder sind bereits vor der Geburt auf liebevolles Wahrgenommen-Werden ihrer Mütter angewiesen, damit sie sich körperlich und seelisch gut entwickeln können. Die Mutter ist ihre ganze Welt. Wird ein Baby geboren, so hilft ihm der vertraute Herzschlag und die Stimme seiner Mutter, sich an die Außenwelt anzupassen. Leihmütter müssen hingegen darauf achten, keine zu intensive Beziehung mit dem in ihnen heranwachsende Baby zu führen. Wie könnten sie es sonst abgeben?

Leihmütter sind Frauen mit Empfindungen und Gefühlen. Eine Schwangerschaft ist kein mechanischer Vorgang, sondern ein auf physischer und psychischer Ebene tiefgreifender Prozess, mit Risiken verbunden, erst recht mit einer fremden Eizelle. Und Kinder sind keine Produkte, die maßgeschneidert in Auftrag gegeben werden dürfen. Wer Nein zur Leihmutterschaft sagt, ist deshalb nicht immun gegen das Leiden kinderloser Paare – oder homophob. Dieses Nein ist ein Ja zu den unteilbaren Kinderrechten und zur Menschenwürde, der zufolge kein Mensch von anderen benutzt werden darf.

Die Autorin ist Generalsekretärin von „Aktion Leben Österreich“.

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