nehammer_wolf.jpg - © Screenshot ORF  - Bundeskanzler Karl Nehammer bei Armin Wolf zu den Mediengesetzen

Machtpolitik scheut Medienpartnerschaft

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Wer Karl Nehammer bei Martin Thür und Armin Wolf in der ZIB2 erlebt hat, erkennt seine Botschaft an die Journalisten: „Wir brauchen euch nicht!“ Das tut der Demokratie nicht gut. Ein Gastkommentar.

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Wer Karl Nehammer bei Martin Thür und Armin Wolf in der ZIB2 erlebt hat, erkennt seine Botschaft an die Journalisten: „Wir brauchen euch nicht!“ Das tut der Demokratie nicht gut. Ein Gastkommentar.

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Ist die Katze aus dem Sack und die Hunde balgen sich um sie, hat der Tierhalter Ruhe vor allen. Also schlagen sich Susanne Raab und Karl Nehammer auf die Schenkel vor Vergnügen, während der Zeitungsverband den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angreift. Das Bundeskanzleramt, von wo die ORF-Novelle stammt, bleibt seltsam unbehelligt von der Empörung der privaten Medienmacher über diesen Gesetzesentwurf. Und das Publikum als Dritter im Bunde der Ruhigzustellenden gibt sich zufrieden mit dem Abgabenrabatt, den die Ministerin verordnet hat. Das ist zumindest kurzsichtig von allen Beteiligten. Aber in diesem Fall ist unter den Blinden der Einäugige nicht König, sondern die Medienpolitik unterwandert ohne Throngewinn die Demokratie.

Und weil der Fisch vom Kopf stinkt, beginnt das große Missverständnis am Ballhausplatz. Türkisgrün verpasst – wie alle Regierungen zuvor – die Chance einer Regulierung des Medienmarkts. Der Ursprung dieser Erbsünde reicht fast 40 Jahre zurück, als Anfang 1984 Sat.1 und RTL plus starteten. Deutschlands erste Privatsender kamen flugs auch zu den Nachbarn. Österreich reagierte 1988 mit der TV-Regionalisierung „Bundesland heute“, hielt aber das Rundfunkmonopol aufrecht. Denn im ORF-Kuratorium saßen Parteileute und die neue Konkurrenz wirkte unkontrollierbar. Das Beharren widersprach zwar dem Recht auf freie Meinungsäußerung, doch sogar ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte 1993 war kein Turbo für Österreichs Legislative. Erst 1998 wurde Privatradio möglich, bundesweit terrestrische Austro-TV-Konkurrenz ab 2003. Medienpolitik ist hier parteiübergreifend ein Schutz- und Trutzbund fürs öffentlich-rechtliche Medium und seine Einflussstruktur. Das Kuratorium heißt jetzt Stiftungsrat.

Machtanspruch statt Ordnungspolitik

Machtanspruch statt Ordnungspolitik verhindert sogar die richtige Fragestellung. Die Gesetze für den ORF gehen von seinen Bedürfnissen aus und nicht dem Informationsanspruch der digitalen Demokratie. Die Regierung scheut den großen Wurf der Infragestellung eines sich selbst erweiternden Senders zum schriftbasierten Allesanbieter – vom Teletext zur digitalen Eier legenden Wollmilchsau. Rundfunk ist noch das Fundament der trimedialen Marktführerschaft: Die Radiosender haben täglich 4,6 Millionen Hörer, die TV-Angebote 3,9 Millionen Seher, das digitale Gesamtoffert 1,2 Millionen Nutzer.

Während die Dominanz von Hörfunk und TV auf das im Europa-Vergleich überlange Monopol zurückgeht, wurde der Online-Vorsprung ab Ausklingen dieser gesetzlichen Alleinstellung erreicht. Doch auch der digitale Flügel der dreifachen Spitzenposition entspringt der doppelten Finanzierung. 2003 betrug die Rundfunkgebühr weniger als die Hälfte des Umsatzes.

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