Martin Polaschek: Hilfloser Minister sucht verständnisvolles Virus
Der Auftritt von Bildungsminister Martin Polaschek in der ORF-Pressestunde hat Rücktrittsforderungen gezeitigt. Das ist überzogen, doch das Fehlen konkreter Pläne bleibt blamabel. Ein Gastkommentar.
Der Auftritt von Bildungsminister Martin Polaschek in der ORF-Pressestunde hat Rücktrittsforderungen gezeitigt. Das ist überzogen, doch das Fehlen konkreter Pläne bleibt blamabel. Ein Gastkommentar.
Die bevorzugten Sprechakte im politischen Diskurs Österreichs sind seit einigen Jahren die Entrüstung und die Rücktritts-Aufforderung. Ob Ibiza oder frivole Chatverläufe, an Gelegenheiten dazu mangelte es nicht. Der letzte, vergleichsweise blasse Anlass war die ORF-Pressestunde vom letzten Sonntag, in der sich Bildungsminister Martin Polaschek erstaunlich ungeschützt für die rituellen Rücktritts-Zurufe der Opposition zur Verfügung stellte.
Wenn die reflexartige Rücktrittsaufforderung an einen Minister, der erst wenige Monate im Amt ist, auch überzogen wirkt, so ist nicht zu leugnen, dass Polaschek in der Pressestunde vieles schuldig blieb. Eine selbstkritische Revision seines misslungenen Auftritts wäre ihm daher dringend zu empfehlen. Schon in den ersten zwanzig Minuten zeigte sich nämlich, dass der Bildungsminister zu den dringendsten Schulthemen nichts Konkretes sagen kann. Ob Polaschek ein Politiker mit Zukunft ist, wird sich erst herausstellen. Gegenwärtig beschränkt sich seine Zukunftstauglichkeit darauf, dass er gerne das grammatikalische Futurum verwendet. „Wir werden evidenzbasierte Entscheidungen treffen“, sagt er. „Wir werden eine Strategie finden müssen.“ Allerdings werden wir! Schön wäre es halt, wenn dieser ambitionierte Findungsprozess noch vor den Sommerferien zu Ergebnissen führen würde, denn die Probleme stellen sich dummerweise in der Gegenwart.
Vorhersehbare Schwierigkeiten
Das Hauptproblem ist die hohe Infektionszahl, nicht nur bei Schülerinnen und Schülern, sondern logischerweise auch beim Lehrpersonal. In höheren Schulen kann man aufgrund des Fachlehrersystems krankheitsbedingte Ausfälle etwas besser kompensieren. Fällt aber in der Volksschule die Klassenlehrkraft aus, kommt es nicht selten zur Klassenschließung, weil nicht ohne weiteres für Ersatz gesorgt werden kann. Ähnlich dramatisch ist die Situation in den Kindergärten. Betroffene Eltern können davon nicht nur eine Geschichte erzählen.
Dass diese Schwierigkeiten nicht vorhersehbar waren, wie Martin Polaschek bedauerte, ist schlicht und einfach falsch. Wir stehen nicht am Beginn einer Pandemie, wir haben zwei Jahre Versuch und Irrtum hinter uns und sollten daraus einiges gelernt haben. Die Öffnungsschritte ab 5. März waren Hochrisikopolitik. Die Freude über die wiedergewonnenen Freiheiten, so Polaschek, sei halt so groß gewesen, gerade bei den Jungen. Gewiss, die jungen Leute strömten freudig in die Nachtgastronomie hinein und kamen einige Stunden später wieder aus ihr heraus, um einige Euro ärmer, aber um einige Viren reicher.
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