Medienförderung: Transparenz und Qualität statt Vernebelung

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Die von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) versprochene Reform der Medienförderung wäre ein überfälliger Beitrag zur Bereinigung des polit-medialen Machtkomplexes. Ein Gastkommentar.

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Die von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) versprochene Reform der Medienförderung wäre ein überfälliger Beitrag zur Bereinigung des polit-medialen Machtkomplexes. Ein Gastkommentar.

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Medienförderung ist ein heißer Markt. Schon für das Jahr 2012 errechnete eine Untersuchung unter Leitung von Hannes Haas ein Gesamtvolumen von jährlich einer Dreiviertelmilliarde Euro. Medienförderung in Österreich umfasst die jährliche Bundespresseförderung von Printmedien in den Säulen Vertrieb, regionale Vielfaltsförderung und Zukunftssicherung (etwa Journalistenausbildung). Hinzu kommt, weniger bekannt, die Bundesmedienförderung vor allem für Privatradios. Außerdem gibt es ein Gestrüpp von Förderungen auf Landesebene. Wenn man will, kann man auch die GIS-Gebühren unter Medienförderung laufen lassen, wobei der ORF selbst nur einen Teil erhält, der Rest geht zum Beispiel an die Bundesländer. Immerhin sind Einnahmen und Verteilung der GIS-Gebühren transparent.

Gefütterter Boulevard

Hingegen ist die Praxis der Presseförderung, trotz des Medientransparenzgesetzes von 2011 nur „scheinbar transparent“. Dies belegt eindrucksvoll eine empirische Studie von Andy Kaltenbrunner, Medienhaus Wien. Die Vergabekriterien sind undurchsichtig und haben als bizarres Ergebnis die Förderung der ohnehin schon auflagenstarken Boulevardblätter oder gar Gratisblätter. Die Gewinner der Bundespresseförderung im Jahr 2020 waren, mit Presseförderung und Corona-Sonderförderung, die auflagenstärksten Blätter Krone, Österreich/OE24 und Heute. Deutlich weniger erhielten wieder die bundesweiten Tages- und Wochenzeitungen mit geringerer Auflage und die Regionalzeitungen. Genau hier liefern fachkompetente Journalist(inn)en national und lokal kritische Berichterstattung und investigative Recherchen. Außenseiter bleiben die investigativen und oft innovativen Onlinemedien, die für User und andere Medien starke Themen- und Inspirationsquellen bieten.

Die Korruptions­anfälligkeit im politmedialen Sektor unter­gräbt die Glaubwürdigkeit der Demokratie.

Noch weniger transparent ist die Schattenwirtschaft der Presseförderung, nämlich die Inseratendeals zwischen Politik und Medienunternehmen, beschönigend als „Werbebuchungen öffentlicher Stellen“ oder „Medien­kooperationen“ bezeichnet. Sie wuchern bösartig bis hin zur Inseratenkorruption, wie auch Ermittlungen der WKStA zeigen. Die ­exorbitante Steigerung der Inseratenvergabe durch Bundeskanzleramt und Ministerien in den vergangenen Jahren erreichte 2020 über 33 Millionen Euro und ist vor allem von ÖVP/Türkisen zu verantworten. In den Bundesländern haben zuletzt Verstrickungen zwischen ÖVP, Wirtschaftskammer und dem in Vorarlberg marktbeherrschenden Russ-Verlag Aufsehen erregt. Erfunden hat das Inseratengeschäft die SPÖ Mitte der 2000er Jahre, die Wiener SPÖ hält offenbar bis heute daran fest. Somit ist Bereinigung in allen Parteien angesagt.

Was ist nötig? Eine Bereinigung der Presseförderung und damit des symbiotischen politmedialen Komplexes und seiner strukturellen Korruptionsanfälligkeit. Im Ergebnis gilt es, letztlich den Journalismus als Säule von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu stützen und nicht Medienunternehmen per se. Denn wo Medien draufsteht, ist nicht immer Journalismus drin. Ob Medien tatsächlich Journalismus bieten, lässt sich anhand gut prüfbarer Kriterien operationalisieren. Sachlichkeit der Berichterstattung lässt sich u. a. prüfen anhand von Quellenvielfalt, Sorgfalt der Recherche, Trennung von redaktionellem Angebot und Werbung.

Die Zauberworte sind Transparenz und fachliches Monitoring. Die Auswahlkommissionen und Beiräte sollten mehrheitlich mit Fachleuten besetzt werden; Entscheidungen sind nach Qualitätskriterien zu treffen, müssen begründet und veröffentlicht werden; Minimal­voraussetzung für die Förderung einer Medienorganisation sollte deren Anerkennung von Qualitätsstandards sein, erkennbar an der Mitgliedschaft im Presserat oder auch an Redaktionsstatuten zur Stärkung von Binnenpluralität. Eine weitergehende Zukunftsperspektive wäre Medienförderung als Förderung der kommunikativen Infrastruktur. So wie wir Wasser, Krankenhäuser, Schulen als Gemeingüter betrachten, für deren Grundkosten wir als Gesellschaft aufkommen, wäre auch die journalistische Versorgung mit Information, Orientierung, Kritik und Kontrolle der Mächtigen als Gemeingut zu betrachten, dessen Grundausstattung durch öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Stiftungen gesichert ist, auch im Pressesektor. Aber das sind Zukunftsvisionen.

Ende der Verschleppung

Was darf jetzt nicht passieren? Dass weiter verschleppt und vernebelt wird. Die strukturelle Korruptionsanfälligkeit im polit-medialen Sektor untergräbt auch die Glaubwürdigkeit der Demokratie. Daher sind die Reform der Presseförderung und die Verhinderung der Inseratenkorruption essenziell für die Bereinigung des polit-medialen Komplexes (neben der Aufhebung des Amtsgeheimnisses und der Transparenz von Parteispenden). Die Corona-Pandemie hat gezeigt: Qualitativ hochwertiger Journalismus ist lebensnotwendig. Die Förderverfahren für privatwirtschaftliche Medien mit hochwertigem Journalismus müssen transparent, korrekt und überprüfbar verlaufen. Die kritische Aufarbeitung der herrschenden Missstände wird schmerzhaft für etliche Akteure in Politik, auch in den Medienunternehmen und in einigen Redaktionen. Aber es geht um viel. Es geht um unsere Demokratie.

Die Autorin ist Kommunikationswissen­schafterin, emeritierte Professorin der Universität Hamburg, Honorarprofessorin der FU Berlin sowie Vorsitzende
des Public-Value-Beirats des ORF.

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